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Montag, 1. Januar 2001
Vientiane

Das Telefon weckt mich. Ein Notfall. Es ist ein Rundruf. Die Blutgruppe B negativ wird verzweifelt gesucht. Ein Entwicklungshelfer hatte einen schweren Motorradunfall. In diesem Augenblick wird er in Udon Thani (Thailand) operiert. Die Operation wird Stunden dauern, und die Blutung konnte bisher nicht gestillt werden. Nur 0,1 % der Asiaten haben diese Blutgruppe. Keine Blutbank, in der Nähe, hat sie vorrätig. Morgen kommt welches aus Bangkok, doch morgen ist es zu spät.
Am Ende der Telefonkette werden zwei Dänen, die B negativ haben, sofort nach Udon Thani fahren.
Viele glückliche Zufälle machten das Wunder möglich, dass der Entwicklungshelfer jetzt im Krankenhaus in Udon Thani ist. Gestern Nacht wurde er auf einen Pickup geladen. Im Krankenhaus in Takek konnten die Ärzte nicht mehr für den Verletzten tun, als ihn einigermaßen transportfähig zu machen. Mit komplizierten Brüchen und einem noch nicht diagnostizierten Riss in der Schädeldecke, wird er zum Mekong gefahren. Am Mekong wartete ein Boot, und weiter geht die ungewöhnliche Reise ans andere Ufer, dort wartete bereits ein Krankenwagen auf ihn.
Viele Vorschriften wurden übergangen, bis hin zur illegalen Einreise in Thailand, und es gab niemanden der darüber nachdachte.
 
 

Donnerstag, 4. Januar 2001
Vientiane

Die Blutgruppe B negativ wurde überall gesucht, in Kliniken und über Botschaften.

Ein Anruf in der australischen Klinik, in Vientiane, erbrachte nicht mehr als eine Rückfrage. Man wollte erst einmal Näheres über die gesuchte Blutgruppedas wissen.

In der deutschen Botschaft mussten erst fünf  Schlüssel organisiert werden, ehe nach 45 Minuten die Liste aller in Laos lebenden Deutschen aufgeschlagen werden konnte.
Etwa 50% von ihnen hatten ihre Blutgruppe angegeben. Einer hatte die gesuchte Blutgruppe und das war der verletzte Entwicklungshelfer selbst.

Die amerikanische Botschaft ließ verlauten, dass derartige Anfragen nur von Botschaft zu Botschaft abgewickelt werden können.

Bei der schwedischen Botschaft war das Notfall-Telefon nicht besetzt. Die Schweden sind eine recht kleine Gemeinschaft, und ich unterstelle mal, dass jeder Schwede die private Telefon-Nummer des Botschafters hat.
 

25. Januar 2001
Lao Pako

Walter wird tot in seinem Bett gefunden, im Lao Pako Ressort. Viele Touristen sind nicht da und man versucht das traurige Ereigniss  geheim zu halten. Doch die Aufregung ist gross und kaum jemand schafft es, so weiter zu arbeiten wie immer. Khamdie weint die ganze Zeit. Seit vier Jahren arbeitet sie für Walter. Sie hat die Einkäufe auf dem Markt gemacht und hatte Walters volles Vertrauen.
Seit einem Jahr kommen viele Touristen um ein paar ruhige Tage in Lao Pako zu verbringen. Sie setzen sich in die bequemen Korbstühle und schauen stundenlang auf den Nam Ngüm, ein Fluß dessen Wasser grün schimmert. Tauschen Reiseerfahrungen aus und geben Tips, wie man am Besten weiter reisen sollte. Walter hat diese Oase des Ausspannens und Treffens in vielen Jahren geschaffen. Und endlich hatte er auch zuverlässiges und freundliches Personal, in den umliegenden Dörfern gefunden.
Aber Walter ist tot. Unbegreiflich bleibt sein Tod, den Freunden und Bekannten in Vientiane.
 

29. Januar 2001
Vientiane

Heute wird Walter im Wat verbrannt. Seine nächsten Verwandten sind aus Oesterreich und Deutschland angereist. Seine vielen Freunde, die er hier in Laos gefunden hat, alle werden da sein und seiner weissen Sterbestuppa aus Papier und Bambus folgen. Im Wat werden die Mönche, ihr monotonen Gebetssingsang erklingen lassen. Es wird eine große Zeremonie werden. Am Ende wird die Sterbestupa, mit Walters Leichnam angezündet werden.
Seine Asche wird in den Mekong gestreut, so war es sein Wunsch.
Ich bin im Abschiednehmen nicht sehr gut, dennoch wäre ich gerne bei dem letzten Weg dabei.

Es erschreckt mich, wie schnell das Leben weiter geht. Vientiane, den 13. Februar 2001

Durch Fotos kommt Deutschland zu mir und Worte. Zwei Magazine ließss mir mein Deutschlandbesuch hier. Wie merkwürdig fremd sie sich auf meinem Schreibtisch machen. Auf der Titelseite ein rotes Stück Fleisch.
Wie weit ich davon entfernt bin, doch der Schein trügt, schon längst kann es in mir lauern. Es ist zu spät für Büffelfleisch.
Zu lang war der Ekel vor Schweinefleisch, weil das Rrosa mir zu nahe an menschlicher Haut war. Mir graut vor dem Dosenfleisch, das nie auf der Einkaufsliste stand, aber doch den Weg in den Räderkorb fand.
Ganz ohne Frage würde kein Rindfleisch jetzt, auf meinem Teller, einen Platz finden, auch wenn es möglischerweise schon zu spät ist.
Angenehm, nicht dauernd auf das Thema zu stoßssen, kein Zeitungskiosk, keine Nachrichten, weder Radio noch Fernsehen und wenn ich will, verschwindet die Zeitung einfach von meinem Schreibtisch und in ein paar Stunden, verbrennt Kamla sie, zusammen mit den Mangoblättern.
Einen Augenblick sieht es beinahe so aus, als sei es so einfach.
 

Vientiane, 28. Februar 2001

Der letzte Tag im Monat, der von Sun Pan, aber vor allem von Kai Kham sehr sehnlich erwartet wurde. Ich bin froh, dassß Kai Kham sich diesen Monat keinen Vorschussß erbeten hat, er zahlt noch am lLetzten.
Ohn hatte gestern ihren ersten Tag in der Näherei, ich bin nicht sicher, ob es die selbe Näherei ist, in der sie arbeitete, als Kai Kham und Ohn sich kennen lernten. Ohn war die beste Näherin und hatte einen hohen Akkordlohn, 500.000 Kip, 130 DM nach dem heutigen Kurs. Fast ein Jahr arbeitete sie schon in der Näherei, dann heiratete sie, und Kai Kham wollte nicht, dassß sie weiterhin in der Näherei arbeitet.
Vor zwei Wochen hat sie Kevin abgestillt. Kai Kham war mit Kevin zu Freunden gefahren, damit es bBeiden leichter fällt. Die erste Nacht hat Kevin viel geweint. Vater und Sohn fanden wenig Schlaf. Aus den geplanten fünf5 Tagen wurden drei3 Tage.
Kevin ist nun ein1 Jahr und fünf5 Monate, und Kai Kham bleibt tagsüber mit Kevin allein, ich bin sicher, Kevin lernt jetzt viel über Pflege und Aufzucht eines Kampfhahnes, ein leidenschaftlicher, laotischer Männersport.
Wie lange wird Ohn wohl brauchen, bis sie ihre Spitzenzeit wieder erreicht hat?

Abends um 19 Uhr, ist es dann Kai Kham, der sich mit dem Fahrrad auf den Weg zur Arbeit macht. Aus dem Förster wurde ein Nachtwächter, und Kai Kham verdient jetzt sieben Mal soviel. Auch Ohn verdient sehr viel., der Direktor der staatlichen Versuchsanstalt für Gemüseanbau beispielsweise, verdient 120.000 Kip.

Vientane, Donnerstag,
den 1. März 2001

Die drei Mangobäume sind schon sehr alt. Im letzten Jahr trugen sie sehr schwer, an ihren grünen Früchten, die im Inneren satt, gelb leuchteten und so voller Saft  waren. Jetzt, in der Trockenzeit, haben rote Ameisen sie sich zur Heimat gemacht. Braune Erde, den ganzen Stamm hinauf. Arbeit einer einzigen Nacht. Schon leben sie  in einer Höhe, die ich mit dem Wasserstrahl nicht mehr erreichen kann. Braune Erde fließt den Stamm hinab, und ich hoffe auf drei Tage voll Sonne, die die aAbgeschnittene Kolonie, hoch oben, verbrennt. Schon sind dicke Äste so morsch, daß ich bei Wind darauf warte, dassß sie auf den Rasen krachen. Ich mag diese Bäume nicht sterben sehen. Sie haben mich im ersten Jahr mit einer Flut, reifer Früchte begrüßt. Sie lockten die Kinder an, und sie kamen, um sie aufzusammeln. Wir lachten zusammen und ich half ihnen. Sie kamen täglich, und es reichte eine lange Zeit, für sie und für mich.
Im Jahr darauf mussßte ich sie nach Hause schicken, und ich lernte wie die Mangobäume haushalten. Es gab nicht viele Früchte in diesem Jahr, aber ich wussßte, dass es im nächsten Jahr wieder viele geben wird.

Vientiane, Mittwoch, den
14. März 2001

Der Mangoregen ist vorbei. Stückweise blauer Himmel, mit weißen, weiten Wattewölckchen.
Die Zikaden summen ihr dröhnendes Lied und füllen die Stille unerinnerbar aus. Unbekannte Kommandos bringen Tausende, dieser großäugigen Insekten dazu, gleichzeitig, mit ihrem durchdringenden Zirpen, zu beginnen. Wie eine Rassel, mit kleinen Steinen gefüllt, hört es sich an und dauert oft Minuten, dann völlig unerwartet ist die Stille wieder da, fremd, und manchmal bemerke ich sie erst eine Weile später.
Die vergangenen Tage waren so dunkel und so ausgefüllt von rauschendem Regen, dass selbst die Erde nicht mehr modrig roch. Alles Leben verlangsamte sich. Meine Hunde schliefen 24 Stunden und wechselten nur den Platz, wenn ich es tat, um sich dann aufseufzend, wieder in die Nähe meiner Füße zu legen.
Wer konnte, blieb zu Hause.
Bereits am vierten Tag, dieser unwirklichen Tage, war alles wie durch Watte gehen.

Und heute, ist alles vorbei, und die altvertraute gelbe Scheibe, ist wieder zu sehen.
Ich sollte jetzt wirklich, auf den Stufen vor dem Arbeitszimmer sitzen und die Wärme tanken und die Sonne hinter geschlossenen Liedern rotes Feuerwerk zaubern lassen.
Ich habe den blauen Himmel so vermisst.

Vientiane, Sonntag,
den 25. März 2001

In dieser Nacht, muss Kai Kham durch die Straßen seines Dorfes patrouillieren.
27 Famileien leben in seinem Dorf, und jeden Abend muss ein Mann einer Familie, sich für den Nachtdienst im Dorf bereithalten. Kai Kham hat bisher einen kleinen Beitrag für den Kaffee geleistet, der den Männern in der Nacht hilft, wach zu bleiben, und mit dem Hinweis auf seine Arbeit als Nachtwächter, war er all die Jahre befreit. Doch die Patrouillien werden ernster genommen, und niemand ist mehr entschuldigt. Auch
Kai Kham wird jetzt alle paar Wochen, mit einem Luftgewehr und zusammen mit einem Dorfpolizisten, jede Stunde einige Runden durch sein Dorf laufen.
In dieser Nacht erwischen sie zwei junge Männer, die Reissäcke über den Schultern tragen. Aus den Reissäcken tönt ein aufgeregtes Kackern und Piepen, als sie stehen bleiben müssen. Erwischt, versuchen sie noch Kai Kham und den Polizisten zum Essen einzuladen, doch das funktioniert diesmal gar nicht gut.
Die Männer müssen pro Huhn und Ente eine Geldstrafe an die Besitzer bezahlen und die Tiere wieder zurück bringen. Es waren junge Männer aus dem Dorf, und  die Rückgabe dürfte ziemlich unangenehm werden.
Kai Kham glaubt, dass die Federdiebe auch ins Gefängnis müssen, für drei Monate, dass will ich den beiden nicht wünschen.

Vientiane, Freitag,
den 6. April 2001

Die Hitze ist unerträglich, der Frühling hat sich unbemerkt, im Zeitraffertempo, abgespielt, wenn es überhaupt einen gegeben hat. War es Frühling, als der Mangoregen, so genannt, weil er die Mangos nährt, die jetzt reifen, den rotbraunen Straßssenstaub, von den lanzenförmigen Bananenblättern spülte?
So hoch gewachsen, dass ich sie immer noch, bei geschlossenem Tor, von der Terrasse aus sehen konnte.
An den verhärteten Blatträndern, hielt sich der Staub, besonders dicht. Aller Bewuchs, auch der Busch, der sich bis an den Straßssenrand wagte, war rotbraun, eine Farbe, die der Dauer der Zeit, eine latente Schwere gab, die sich auf  Menschen übertrug.
An den Blatträndern, war der Hergang der Photosynthese besonders erschwert, die Blattränder waren gelb.
Erst nach Wochen hat sich der unbeobachtbare Ablauf in den Bananenblättern wieder normalisiert und das Grün war zurück gekommen.
Wie einige Menschen, die sich erholt, gleichsam wieder farbig geworden, nun von der Hitze beschwert, durch die besonders heißen Stunden bewegen.
Man liegt, gemeinschaftlich, auf Betten oder Matten, vor den Häusern, unter den modernen, von Reichtum sprechenden Blechdächern.  Schlafend oder dösend, selbst die Kinder, liegen fast regungslos neben ihren Eltern, oder Geschwistern, zu müde für ihre Spiele.

Vientiane, Donnerstag,
den 12. April 2001

Sicherheitshinweise ausgegeben durch das Auswärtige Amt Deutschland:

Unverändert gültig seit: 12. April 2001
Das Auswärtige Amt sieht keinen Anlass, von Reisen nach Laos generell abzuraten. Die nachstehenden Sicherheitshinweise sollten jedoch unbedingt beachtet werden.
Die Fortbewegung auf dem Land- und Luftweg, aber auch per Boot ist witterungsbedingt nicht immer ohne Risiko möglich; entsprechend der Jahreszeit stehen bestimmte Transportmittel nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.
Zwei Abstürze im Norden des Landes im Jahre 2000 unterstreichen, dass die Flugbedingungen in Laos generell, insbesondere Flugbetrieb, Ausbildung und Wartung bei der einzigen im Inlandsflugverkehr operierenden Fluglinie "LAO AVIATION" noch nicht den international gültigen Sicherheitsstandards entsprechen. Vor der Benutzung im Einsatz befindlicher alter Maschinen chinesischer Herkunft (Y12, Y7) wird gewarnt. Auch die Benutzung der im nationalen und internationalen Flugbetrieb eingesetzten französischen ATR-Maschinen kann derzeit nur bedingt empfohlen werden. Nicht zuletzt angesichts der Risiken, die von häufig wechselnder Witterung ausgehen, sollte bei Reisen innerhalb von Laos der Landweg benutzt werden.
Jedoch ist bei der Benutzung der Landwege im nördlichen Landesteil, wo die Haupttouristenziele Luang Prabang und Ebene der Tonkrüge liegen, insofern Vorsicht geboten, als die Straßen teilweise durch unsichere Gebiete (insbesondere die Bergregion zwischen Phoukhoun und Phoukout sowie die Distrikte Paxai und Muang Khoun in der Provinz Xiengkhouang) führen, in denen sich in den vergangenen Jahren, aber auch jüngst wieder mehrfach bewaffnete Überfälle und Anschläge ereignet haben. Reisen zur Ebene der Tonkrüge sollten sich auf die ausgewiesenen Touristenziele beschränken und unter allen Umständen nur in Begleitung ortskundiger Reiseführer stattfinden.
Seit Ende März 2000 kam es in Vientiane und anderen Orten wiederholt zu politisch motivierten Sprengstoffanschlägen. Es waren mehrere Todesfälle sowie Verletzungen und Sachschäden zu beklagen. Die Sprengstoffanschläge trafen u. a. den Inlandsterminal des Vientianer Flughafens, ein Hotel, das Hauptpostamt in Vientiane, den größten Markt, den zentralen Überland-Busbahnhof und den Grenzübergang nach Thailand an der Freundschaftsbrücke. Die laotische Regierung hat inzwischen eine Reihe zusätzlicher Schutzmaßnahmen ergriffen. Besucher sollten sich dennoch bewusst sein, dass weitere Anschläge nicht auszuschließen sind.
Obwohl Laos insgesamt ein Reiseland mit derzeit geringem Kriminalitätsrisiko ist, darf nicht übersehen werden, dass insbesondere in Vientiane sowohl Diebstähle als auch Raub von Geld und Wertgegenständen zu verzeichnen sind. In letzter Zeit wird auch von Einzelfällen sexueller Gewaltanwendung gegen Touristinnen berichtet.
Auf den Wasserwegen in Laos verkehren Schnellboote ("Speed Boats"), die mit halsbrecherischer Geschwindigkeit Personentransporte durchführen. Es kommt mit diesen Booten immer wieder zu Unfällen, oftmals mit tödlichem Ausgang. Da auf fast allen Strecken auch normale Boote (sog. "Slow-Boats") verkehren, sollte auf die Benutzung der Schnellboote unbedingt verzichtet werden.
Das Auswärtige Amt rät dringend, auf Auslands-Krankenversicherungsschutz mit Rückholversicherung zu achten. Reisehinweise beruhen auf den zum angegebenen Zeitpunkt verfügbaren und als vertrauenswürdig eingeschätzten Informationen des Auswärtigen Amts.

Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit sowie eine Haftung für eventuell eintretende Schäden kann nicht übernommen werden. Gefahrenlagen sind oft unübersichtlich und können sich rasch ändern. Verweise auf Reisehinweise in den Geschäftsbedingungen von Reiseveranstaltern sind für das Auswärtige Amt nicht verbindlich. Gesetzliche Vorschriften eines Landes können sich ändern, ohne dass das Auswärtige Amt hiervon unterrichtet wird. Kontaktaufnahme mit der zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Landes wird im Zweifelsfall empfohlen.

Auswärtiges Amt
Referat 040
D-11013 Berlin
Tel.: (01888) 17-0
Fax: (01888) 17-3402

Vientiane, Montag, den
30. April 2001

Sun Pan ist kreuz unglücklich, ihr ganzer Oberkörper ist mit grossen, juckenden Placken bedeckt. Sie kratzt sich die ganze Zeit und kann nicht arbeiten. Ins Krankenhaus fahren möchte sie nicht, aber in eine Apotheke, deren Lage sie mir ganz genau beschreibt, mit viel Links und Rechts, so dass ich am Ende überhaupt nicht mehr weiss, wo die Apotheke denn nun ist.
 Weit muss es sein, denn sie ist fast 2 Stunden weg.
 Schon bald höre ich sie, in der Küche mit den Töpfen klappern und lass sie erst einmal das Mittagessen kochen. Ihr geht es schon viel besser, und ich möchte gerne wissen, wie die Tabletten heissen, die sie in der Apotheke gekauft hat. Aus ihrer Handtasche holt sie ein kleines Plastiktütchen heraus, in dem etwa 20 kleine rosa Tabletten liegen. Ich sehe ihrem Blick an, dass sie davon überzeugt ist, dass ich die Tabletten schon kennen werde, schließsslich weiss sie, dass ich in Deutschland in einer Apotheke gearbeitet habe.
 Ich bemühe mich auch wirklich sehr, doch kein Firmenstempel, nichts hilft mir.
 Sun Pan hat in der Apotheke natürlich nicht nach dem Namen gefragt, und der Apotheker würde auch gar nicht auf den Gedanken kommen, dass eine Patientin den Namen ihres Medikamentes kennen möchte, es ist wichtig, ob es hilft, und diese kleinen rosa Tabletten, tuen bereits ihre Wirkung.
Wenn Sun Pan noch einmal diese Tabletten braucht, dann fährt sie eben wieder in diese Apotheke, schildert ihre Beschwerden und die Apothekerin wird eine der vielen grossen Plastikdosen aus der Glasvitrine nehmen und fragen zu wieviel Kip, Sun Pan Tabletten haben möchte und die entsprechende Anzahl, mit den Fingern, oder mit einem Löffel, aus der runden Dose zählen.
Auf der Dose steht der Name des Medikaments, die Inhaltsstoffe und die Herstellerfirma, es sind ganz normale Klinkpackungen, die eigentlich für den Krankenhausbedarf gedacht sind. Eine Verordnungspflicht gibt es nicht und Valium Tabletten sind ebenso problemlos zu bekommen, wie Aspirin.

Vientiane, Dienstag den
1. Mai 2001

Der Himmel ist eine geschlossene Wolkendecke, wie ein weisses Blatt Papier, das es zu beschriften gilt. Ich sitze darunter, im Arbeitszimmer und über mir kreist der Ventilator, kleine Schweissbäche rieseln sanft an mir herunter und einen Augenblick, ist es an diesen Stellen fast kühl, dabei sind es nur 36 Grad und ab und zu erhebt sich sogar ein kleiner Wind, der den Litchibaum vor meinem Fenster, zum Sprechen bringt.
 Ob er dieses Jahr gar keine Früchte tragen will?
 Noch gut einen Monat, bis zur Regenzeit, ich warte wie jedes Jahr darauf, dabei war der Mangoregen in diesem Jahr
 aussergewöhnlich grosszügig, selbst gestern abend gab es einen kurzes heftiges Gewitter, dem der Donner lang und drohend
 voraus gegangen war, begleitet von böhigen Winden, die in diesen Tagen besonders dankbar, von Allen, begrüsst werden.

 Schon fünf Jahre keinen Schnee gesehen!
 

Vientiane, Donnerstag den
3. Mai 2001
Heute war ich in Thailand, endlich nach 9 Wochen durfte ich mein Auto abholen. Die Zylinderkopfdichtung hatte einen weiten Weg zurücklegen müsssen, aus Korea kommend wurde sie gleich eingebaut.
Das Einfuhrpapier, dass gleichzeitig auch Ausfuhrpapier ist, hatte sich in den 9 Wochen leider verflüchtigt, für die Ein- und Ausfuhr in Laos, habe ich ein Buch, dass verschwindet nicht so leicht wie eine DinA4 Seite und war noch da.
In der Werkstatt habe ich mir bestätigen lassen, dass der Kia Sportage, dort seit dem 20. Februar herumstand und dann gab es die Rechnung von der Reperatur.
Ein neues Ein- und Ausfurhformular hatte ich mir auch bei der deutschen Botschaft besorgt und bereits ausgefüllt, dass erwies sich als weise, denn wenn der Grenzbeamte in Thailand nicht etwas gehabt hätte auf das er hätte schreiben können und einen kleinen Stempel fast liebevoll hätte pressen können, nun dann wäre es wohl nicht so einfach gewesen.
Auf laotisch habe ich ihm den ganzen Sachverhalt erklärt und er nickte verständnisvoll. Jetzt war es an ihm, sein englisch auszuführen und er tat es mit Genuss und es war auch wirklich angenehm gut. Er glaube mir, dass dies alles aus dem Himmel auf mich gekommen sei, aber das seien jetzt 63 Tage und was wenn er jetzt von mir pro Tag 100 Bath haben wollte. Ich überschlug, dass der freundliche Beamte über 6.300 Bath redet, immerhin 320.- DM. Ich schaute ihn mit grossen betroffenen Augen an, die „oh je“ sagten, schliesslich wollte ich meinen Part genauso gut spielen wie er, wenn ich auch hin und wieder die Sicherheit etwas schwinden sah, ob wir jetzt gutmütig Kräfte messen, oder nicht?  Ich habe doch heute schon 13.000 Baht bezahlt und Steuer, wie ich leise hinzufägte, was etwas zu viel war, wie ich gleich bemerkte, schnell ein offenes Lächeln hinerher.
Wenn ich zwei Möglichkeiten hätte, 63.000 Baht oder 100 Baht zu bezahlen, welche würde ich wählen? 100 Baht, beeilte ich mich zu sagen und fägte die Frage hinzu, welche er denn gewählt hätte, um noch einmal mehr zu verdeutlichen, dass ich gewählt hatte.
Er lächelte nur und ich beeilte mich ihm die 100 Baht zu geben und fügte charmant hinzu, er sei sehr freundlich und das war er in der Tat.
Der laotische Grenzbeamte meinte, dass ich das nächste Mal nur sieben Tage mein Auto in Thailand lassen dürfte, worauf ich meine das ich das auch dieses Mal schon wirklich gerne getan hätte, doch die Bedeutung des Satzes ging ihm nicht auf, er war wohl sehr müde.
„Das nächste Mal aber nur 7 Tage!“, an diesem Satz hatte ich noch eine Weile meine Freude.
Dann fuhr ich endlich wiede Auto in Laos und ich genoss jedes einzelne Schlagloch und begrüßte jede Bodenwelle unter dem Asphalt. Viele habe ich wieder erkannt, sie kommen nach jeder Teilreperatur wieder.
 

Vientiane, Samstag
den  5. Mai 2001

Kleine Zweige und Mangoblätter, selbst ein großer vertrockneter Palmwedel, liegen die ganze Auffahrt entlang. Sturm und ein mächtiger Regen, haben sie alle von den Bäumen gerissen. Selbst jetzt, eine Stunde nach dem Regen, plätschern die Speier, die verhindern das, dass Dach der Terrasse sich bei so einem Regen mit Wasser füllt. Ein 20 cm tiefes Becken würde ohne sie, über mir entstehen und die Säulen werden das nicht tragen können. Der Beton unter den Speiern ist moosig und sehr glitschig. Erst Gestern hat Kamla das Moos mit der Drahtbürste weggeschrubbt und schon ist ein Teil davon wieder da.  Kühl ist es nach dem Regen und die heißen Tage sind vergessen.
„Quak“, kommt es unter der kleinen Palme her und die braune Kröte, die seit Jahren meinen Garten bewohnt, hat eines ihrer Erdlöcher verlassen, die Luftfeuchtigkeit ist ihr genau so willkommen wie mir. Einmal in der Woche stöbert Blacky, sie in einem ihrer Erdlöcher auf, ich und Pan verstehen dieses freudige Bellen sehr gut und einer von uns geht in den Garten und erlöst die Kröte, die das alles mit einer reglosen Gleichgültigkeit hinnimt, die mich jedes Mal vermuten läßt, dass sie unserer Hilfe, gar nicht bedarf.
 

Vientaine, Montag
den 7. Mai 2001

Ein daumennagel großes Stoffdreieck, zwischen Daumen und Zeigefinger, in der anderen Hand eine Nadel, sitzt die alte Frau, vor ihrem Stelzenhaus im Schatten, auf einer kleinen Holzbank. In ihrem Schoß, ein Korb aus Ratan, in dem schon viele dieser kleinen Dreiecke liegen. Mit flinken Fingern, denen man die Routine ansieht, nicht aber das Alter, zieht sie die Nadel durch das offene Ende des kleinen Dreiecks, drei kleine Stiche und das Ende wird leicht zusammen gezogen. Vor meinen Augen ist ein Blütenblatt entstanden. In dem Korb befinden sich schon viele bunte Blütenblätter. Sechs dieser Blätter werden zu einer einzigen Blüte zusammen genäht. Seit zwei Jahren und drei Monaten, ist sie mit der Arbeit an einem Wandbehang beschäftig, den sie mir gerne zeigt. Ihre Töchter steigen die steile Leiter ins Haus hinauf, als sie nacheinander wieder hinunter kommen, ist zwischen ihen eine lange Bambusstange und darauf, der aufgerollte Wandbehang. Die beiden Frauen hängen den Wandbehang an das Stelzenhaus und was sich dann entrollt, ist ein Homage, an den einfachen, reinen Glauben, der alten Frau. Tausende Blüten sind dort zusammen genäht. In wenigen Tagen wird die Frau in das Wat, ihres Dorfes gehen und den Wandbehang den Mönchen schenken.
Von der hohen Decke wird er herabhängen und die langen roten Bänder, werden sich in jedem, noch so kleinem Windhauch, bewegen. So wird selbst in der größten Hitze, die Illusion eines kühlenden Windhauchs spürbar über die Betenden streifen.
Die Blüten an denen sie jetzt arbeitet, sind für einen kleineren Wandbehang, für das Wat im Dorf ihrer Schwester, 300 Kilometer von dem Ihren entfernt.
Ihrer Arbeit ist einmalig, so etwas habe ich noch in keinem Wat gesehen und ich bitte sie, um ein Foto mit ihr und ihrer beeindruckenden Arbeit. Lachend ist sie bereit und ihre Töchter sind stolz auf sie, ein bisschen habe ich das Gefähl sie sehen die Arbeit ihrer Mutter, nun auch mit anderen Augen.
Ich frage noch wo das Wat ist, eines Tages möchte ich dort hinfahren und mir den Wandbehang in seinem neuen zu Hause ansehen, doch leider verstehe ich die wortreiche Wegbeschreibung der Frau nicht ganz und mir fehl das letzte Stück des Weges. Vielleicht finde ich trotzdem den Weg, meine Zeit in Laos ist noch nicht vorbei.
Und so wie ich hier schon beinahe gelernt habe, an Geister zu glauben, so sehe ich auch die Wege des Lebens anders und dazu gehört ein neues Denken über das was wir so „Zufall“ nennen.
 

Sonntag, den 13. Mai 2001
in Vientiane

Ein Zirpen und Quaken, auch ein kleines Knurren, vor dem Tor und die Ausläufer der Töne, kleine geflügelte Insekten, auf dem Bildschirm meines Laptop, der mit mir, oder mit dem ich, manchmal weiss ich es nicht, am Tisch sitzt. Diesem wackeligen Ratantisch und der einladende Stuhl, der sogar Platz für die Beine bietet, wenn ich lese und alles was Ich ist, in diesem Stuhl Platz findet.
Die kleinen Grashüpfer vertreibe ich dann doch vom Bildschirm, unter ihnen verschwinden ganze Buchstaben.
 

Vientiane, Mittwoch
den 16. Mai 2001

Seit gestern abend sind die Stimmen, die aus dem Nachbargarten kamen, verstummt. Erst jetzt tritt die Stille ein, die mit dem Tod einhergeht. Mir ist in diesen Tagen vor allem klar geworden, dass es viele Arten  gibt, einen lieben Menschen zu verabschieden. Meine Nachbarn waren dir ganze Woche, von Freunden umgeben die sich abwechselten, mit ihren Besuchen. Unsere kleine Strasse war rund um die Uhr, zum Parkplatz vieler Autos geworden. Im Garten stand ein buntes Zelt, darunter waren die Tische, die sich nie leerten. Die Frauen kochten gemeinsam, mehrere Mahlzeiten am Tag und in der Nacht. Grosse Mengen Geschirr wurden,  ununterbrochen,  in einer grossen Plastikschüssel, hinter dem Haus, gespült. Auf dem festgestampften Boden, hockten die Frauen und schauten ihren Händen nicht zu, während sie die vetraute Arbeit verrichteten. Ihre Stimmen ergänzten die Geräuschkulisse auf das Vollkommenste.
War ein Tellerstapel fertig, so wurde er gleich wieder zu den Tischen getragen. Musik war in der ganzen Woche nicht zu hören. Die Betriebsamkeit ist  ganz verschwunden und ich spüre die Schwere des Todes und das Haus sieht auf einmal viel älter aus, nie schien es mir so reparaturbedürftig wie jetzt.  Seltsam das mir die Bäume soviel grüner und grösser erscheinen.
Eine Woche Trauerzeit ist so vorüber gegangen und meine Nachbarn hatten kaum Gelegenheit, den Verlust ganz zu spüren, erst jetzt. Mir ist als verstehe ich die Bedeutung dieser gemeinsamen Trauer, die sich nicht im Trauern äussert. Die, die zurück geblieen sind, nicht alleine lassen, zusammen sein, essen, reden und wenn man ein wenig Schlaf braucht, geht man nach Hause, oder legt sich auf die Reisstrohmatten.
Bier und selbstgebrannten Reisschnaps, Lao Lao genannt, gibt es, doch Niemand betrinkt sich. Das fällt heraus und ganz besonders auf.
Dunkel ist es jetzt nebenan, allein eine nackte Neonröhre, die an eienem Baum festgebunden ist, mit rosa Plastikschnur, reißt die grünen Blätter gespenstich, aus der Dunkelheit.
 

Vientiane, Freitag
den 18. Mai 2001

Monsun, schon so früh im Mai?
Am Nachmittag war es schon sehr dunkel und noch weit, grollte ein Donner, der hier in Bahn Wat Nak Neu (Dorf  Tempel kleiner Drache), nur leise zu hören war. In den fünf Jahren die ich jetzt in Laos lebe, fing die Regenzeit immer mit dem Raketenfest, in Sun Pan´s Dorf an. In diesem Jahr, wird das Fest Ende Mai sein, es ist also noch Zeit.
Das Telefon war für eine Stunde völlig tot, keinen einzigen Ton konnte ich hören. Die Leitung kommt vom Dach und hängt nur knapp über der Mauer, fürt dann weiter zur Stromleitung und folgt ihr dann, durch das ganze Dorf. An der Strasse ist mein Bambus in die vielen Leitungen gewachsen, beim letzten Wind sprühten Funken im Bambus, doch nichts weiter geschah, kein Stromausfall, kein Telefonausfall.
Ein Wunder wenn man sieht, wie tief die Leitungen hängen und wieviele es sind.
An den grossen Strassen, sind im letzten Jahr neue Masten aufgestellt worden und tagelang waren riesige Rollen mit einer dicken schwarzen Leitung zu sehen, mit Seilzug wurde die neue Leitung in die Masten gezogen, alles Muskelarbeit. Meine kleine Matschstrasse, wie ich sie jetzt schon nennen muss, ist von dieser Neuerung, weit entfernt.
Die einzelnen Leitungen werden noch lange in greifbarer Höhe hängen.
 

Bangkok, Montagmorgen
20. Mai 2001

Der Zug ist die ganze Nacht durchgefahren. Mindestens fünf Mal hat er auf freier Strecke lange angehalten, um einen entgegenkommenden Zug, vorbei zu lassen, von dem ich nichts hörte. Viele kilometerlang sind die Schienen nur einspurig verlegt.
Ich weiss nicht, wie lange die langsame Einfahrt in Bangkok eigentlich dauert. Obwohl dies nicht meine erste Fahrt, mit dem Nachtzug nach Bangkok ist, doch wie immer bin ich auch jetzt, ganze Auge und schaue aus dem Fenster.
Die grossen Gebäude zeigen dem Zug ihr häßliche Seite, am Fuße dieser Gebäude kleben Hütten aus Wellblech, Holz, und Pappe. Hier leben viele Menschen am Rande der Gesellschaft, zwischen Schienen und Beton.
Jetzt morgens um 6 Uhr sind viele Feuer schon entfacht, grosse Kessel aus denen bereits Dampf steigt. Plastikstühle und Campingtische, warten schon auf die ersten hungrigen Menschen. Nudelsuppen, gebratener Reis mit Fleisch und Gemüse und eine scharfe Suppe, mit Meeresfrüchten. Alles ist sauber und macht ein wackeligen Eindruck. Der Müll stapelt sich zwischen den Hinterhofdörfern.
Doch für mich ist alles geruchlos, seltsam steriel. Die Zugfenster sind nicht zu öffnen, Aircon-Waggon. Beim Anblick des Mülls bin ich froh darüber. Die Düfte die den dampfenden Kesseln entsteigen, würde ich gerne riechen. Viele der Wohnläden, sind mit Pflanzenkübbeln vollgestellt, aus denen üppiges Grün quwillt. Dazwischen bluhende Pflanzen, deren Farben mir besonders rein erscheinen. Das ist ein Rot, dies ist ein Blau.
Auf einer Mauer, nahe den Gleisen, sitzt ein junger Mann mit seiner Gitarre, ich kann ihn nicht hören, er ist ganz vertieft in sein Spiel, so als flüchte er vor den Bildern, die sich ihm aufdrängen. Hier zu leben ist nicht einfach, aber die meisten machen das Beste daraus, es ist ihr zu Hause.
Die ersten Kinder verlassen frisch gewaschen und gebügelt die Hütten. Die Mädchen in ihren blauen Röcken und den weissen, frisch gestärkten Blusen und weisssen Söckchen. Alle haben den Pagenschnitt, der Prinzessin.
Die Jungs in ihren blauen langen Hosen, ihren braunen Socken und schwarzen Turnschuhen, auch sie, im weissen Hemd. Die Haare sind milimeter kurz geschnitten, bei den bis zu zwölf Jährigen, bei den Älteren sind sie etwas länger. Das Vorbild ihres Schnittes findet sich nicht in der königlichen Familie, sondern eher in den Tempeln, der Haarschnitt, oder soll ich eher sagen, die Rasur der Mönche.
Eine ganze Reihe Karren mit Glaskästen. Ihre Besitzer waschen Mangos, Zimtapfel, Rambutan, Orangen und Ananas, in sauberem Wasser. Die Karren stehen wie aufgefädelt, am Ufer eines kleines Flusses, in dem schmutzig graues, Wasser, träge dahin schwappt. Die Glaskarren, mit ihren Fahrradreifen, glänzen vor Sauberkeit in der frühen Morgensonne. Mit grossen Messern werden die Früchte in mundgerechte Stücke geschnitten, wie kleine Schiffchen, sehen die Mangostreifen aus. Fahrende Obsthändler, zwischen denen keine Eile besteht, keiner muss der Erste sein, der durch die Strassen Bangkoks schiebt und Obst, in durchsichtige Tüten füllt und die scharfen Gewürze, mit denen zusammen die Thais die Streifen essen.
Auf den ersten Blick sehen die Hütten wie zusammengewürfelt aus, auf den zweiten Blick erkennt man, dass sie zusammen gewachsen sind. Eine einzelne Hütte aus diesem Geflecht abzureissen, erscheint mir unmöglich.
Das Alter dieser Hüttendörfer, ist nicht zu bestimmen, die Materialien, die beim Bau einer Hütte verwendet wurden sind oft schon alt gewesen, ein Weiters erledigen die starken Regen und die Hitze die, auf den Dächer brennt. Der Schatten den die grossen Gebäude werfen, fällt erst am späten Nachmittag über die Hütten.
Ich frage mich, wohin diese Menschen gehen werden, wenn die Stadt beschliesst an den Bahngleisen die Grünanlagen auszuweiten, die vom Hauptbahhof schon jetzt,
acht Kilometer, stadtauswärts führen.
Stadtauswärts, eigentlich gibt es diesen  Begriff gar nicht in  Bangkok, die Stadt zieht sich endlos lang und fängt erst hinter dem Flughafen, langsam an auszurinnen, wie ein Fluss der ganz allmählich zum Bach wird.
 

Vientiane, Mittwoch den
30. Mai 2001

Vor mir an einer der fünf Ampeln von Vientiane, steht der Lastwagen, der die Mädchen aus der Näherei, nach Hause bringt. Die Pritsche ist überdacht und schützt die jungen Frauen vor Regen und Sonne. Wie so oft muss ich daran denken, wie schrecklich es wäre, wenn gerade dieser Lastwagen in einen Unfall verwickelt wäre. Es gibt nicht einmal Sitzbänke und die Mädchen stehen auf der Ladefläche und halten sich aneinander fest, manche von ihnen haben eine Stange der Ueberdachung  zu fassen bekommen.
Es geht nach Hause, Feierabend, alle sind fröhlich und reden miteinander.
Mehr als 50 junge Frauen stehen da vor mir an der Ampel, es wird grün und der Lastwagen setzt  sich schwankend wieder in Bewegung, nicht ohne eine schwarze Wolke aus dem Auspuff  auszustossen. Die Mädchen lachnen noch mehr.
Diese Fahrt machen sie zwei Mal täglich, an sechs Tagen in der Woche und immer geht es irgendwie gut.
 

Vientiane, Donnerstag den
31. Mai 2001

Kai Kham hat sich einen Büffel von einem Freund geliehen. Jetzt in der Regenzeit, kann er wieder Reis auf den Familienfeldern pflanzen. Seit drei Tagen pflügt er mit dem Büffel, der Pflug ist alt und es muss tief geplügt werden. Schwerst Arbeit für den Büffel und Kai Kham der den Pflug in die Erde drücken muss. Gestern hat der Büffel ihm beinahe den Arm ausgerenkt, einfach mit einer heftigen Kopfbewegung, die Kai Kham nicht voraus sehen konnte, weil er den Pflug beobchtete, ob die verrosteten Ringe, auch tief genug in die Erde gingen. Der Büffel ist ein friedliches Tier. Ein elfjähriger Junge hat ihn zwei Stunden durch Reisfelder und kleine Dörfer zu Kai Kham gebracht. Die ganze Zeit ist er einfach hinter dem Jungen hergetrottet.
Diese Wanderung hätte ich sehr gerne gesehen, doch Kai Kham hat mir erst gestern abend davon erzählt. Ich hätte den Jungen gern begleitet. So ein Büffel ist ein riesiges Tier und die Hörner sehen sehr gefährlich aus. Schon oft habe ich einem Büffel den Weg überlassen, wenn unerwartet einer vor mir auftauchte. In Vientiane sind sie oft am Strassenrand angepflogt und grasen, aber draussen auf den Feldern laufen sie frei herum, vor allem dann, wenn die Reisernte eingebracht wurde.
Kai Khams Familie hat drei Büffel, aber nur einer davon, der Älteste, wird von Kai Khams Vater zum Pflügen eingespannt. Er hat jahrelange Erfahrung. Dieser Büffel hat schon die restlichen Felder gepflügt und Kai Kham war in Sorge, dass es zuviel für ihn werden würde. Wenn dieser Büffel krank werden würde, wäre dies eine Katastrophe, denn Kai Kham hätte das Geld für den Tierartzt nicht. So bat er seinen Freund um seinen Büffel, er hat noch nicht mit dem Pflügen angefangen und hat selbst auch nur ein kleineres Feld, da er nicht in einer Großfamilie lebt, sondern nur mit seiner Frau und den beiden Söhnen.
Nächste Woche wird der älteste Sohn den Büffel wieder abholen und irgendwie wird sich Kai Kham für das Leihen erkenntlich zeigen.

Vientiane, Samstag den
2. Juni 2001

Mein laotisches Stelzenhaus ist undicht. In der Nacht, als ein grosser Regen kam wurde ich nicht vom Prasseln der Tropfen geweckt, sondern weil mein Decke nass wurde. Das Reisstrohdach hat genau am höchsten Punkt und leider auch genau in der Mitte, ein  Loch. So musste ich um 3 Uhr in der Nacht mein Bettzeug nehmen und in das Steinhaus umziehen. Als erstes fiel mir dort auf, wie laut der Regen auf das Dach prasselt, es dauerte bis meine Ohren sich an den Krach gewöhnten und ich wieder weiter schlafen konnte.
Die traditionelle Bauweise ist viele Generationen lang, erprobt und verbessert worden.
So ein Blechdach hat nur einen Vorteil, es hält länger als zehn Jahre, ein Reisstrohdach muss alle drei Jahre zumindest teilweise erneuert werden.
Eine Familie die Reisfelder hat, wie selbst in der Landeshauptstadt noch die meisten Familien, kostet ein neues Dach aus Reisstroh, nur die Plastikschnur, mit der das Stroh auf die Bambusstange gebunden wird.
Zwischen den Erneuerungen des eigenen Daches, kann man das gebundene Stroh, an der Strasse verkaufen, mindestens zwei Jahre lang, ein zusätzliches Einkommen.
Doch wenn ich neues Stroh für mein Dach kaufen möchte, dann werde ich wohl 50 Kilometer weit fahren müssen, hier in Vientiane hat jedes Haus, ein Blechdach und niemand verkauft mehr Reisstroh, jetzt wird es an die Büffel verfüttert.
Hier in Vientiane ist man modern und fortschrittlich und wer es nicht ist, will dort hin!
 

Vientiane, Montag den
4. Juni 2001

Leslie hat es geschafft, nach zehn Tagen konnte sie endlich durch das Tor hinaus auf die Strasse schlüpfen und im Dorf verschwinden. Sun Pan war die unglückliche, der sie entwischt ist. Auch wenn es nur wenige Minuten dauerte, bis ich ebenfalls im Dorf war, so hat es doch gereicht, ein Rüde klebte schon an ihrem Hinterteil und alles war bereits vorbei.
Wieder kleine Hunde, drei Mal in direkter Folge, fast hätten wir es geschafft und das biologische Wettrennen gewonnen.
 

Vientiane, Donnerstag
den 7. Juni 2001

Kamla ist gekommen. Heute zieht er sein eines Bein, noch mehr nach, als er es für gewöhnlich tut. Als kleiner Junge hatte er Kinderlähmng und man muss sagen, er hatte noch Glück dabei. Sein linkes Bein ist steif geblieben und er schwenkt es, wie einen Stock,  auf die Pedale seines Fahrrades, wenn er später wieder nach Hause fahren wird.
Nach Hause, dass ist eine kleine Hütte zusammengezimmert, aus allem was man dazu verwenden konnte.Die etwas windschiefe Hütte steht  im hinteren Teil eines großen Gartens, in dem Ausländer wohnten. Die Kanadier sind schon längst wieder in ihr Land zurückgereist, ihre Arbeiszeit hier war einfach zu Ende. Vielleicht arbeiten sie schon wieder in einem anderen Entwicklungsland. Kamla wird es nie erfahren, denn er kann nicht lesen und die Kanadier können nicht laotisch schreiben. Englisch hat Kamla nie gelernt. Seine Eltern haben es auch nicht für nötig gehalten, dass ein behinderter Junge zur Schule geht. Zu Hause gab es genug zu tun für ihn, er weiss alles über Hühner und Enten. Auch wie man Bäume pflanzt weiß er. Das ein Papayabaum einen Szin tragen muss, damit er Früchte trägt.
Szin heißt der Rock, der von den laotischen Frauen getragen wird.
Und weil Kamla soviel über Pflanzen weiß, arbeitet er bei mir als Gärtner.
Die Avocadokerne, die ich ihm im letzten Jahr gegeben habe, sind alle angewachsen und ich denke das alle es schaffen und große Bäume werden. Ich weiß, er freut sich wie ich bei ihrem Anblick. Für mich ist es ganz allein sein Verdienst und ich halte ihn für einen begnadeten Gärtner. Ich hatte kein Glück mit meinen eigenen Pflanzungen.
Außer mit den Kokospalmen und den Ananas, aber inzwischn denke ich, dass es einfach sehr anspruchslose Pflanzen sind und das sie auch wachsen würden, wenn ich sie einfach auf die Erde gesetzt hätte.
Viele Häuser stehen leer in Vientane und es werden immer noch neue Häuser gebaut, es lohnt sich. In zwei, oder drei Jahren sind die Häuser bezahlt, vorausgesetzt, man findet einen ausländischen Mieter. Manche sprechen von 600 Häusern, die in Vientiane leer stehen.
Vorerst kann Kamla in dem Garten wohnen bleiben. Der Hausbesitzer hat auf diese Weise einen kostenlosen Nachtwächter.
Das Haus ist sehr gross und schon alt, dennoch möchte der Vermieter 1.500 Dollar monatlich haben, solange er darauf besteht, ist das Haus kaum zu vermieten, die Konkurenz ist groß. Doch zum Glück ist: Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach; kein Sprichwort das von laotischen Vermietern erfunden wurde.
Wer weiß ob neue Mieter mit Kamlas Hütte im Garten ebenso einverstanden wären, wie die Kanadier?
 

Vientiane, Sonntag den
10. Juni 2001

Mein Reisepass ist angefüllt mit Stempeln. Zum einen ist da der große Stempel meines laotischen Visums, der eine ganze Seite einnimmt und meinen aufenthalt in Laos jedes Mal für ein weiteres halbes Jahr legalisiert.
Die viereckigen Einreise Stempel nach Thailand, die mir jeder , einen Aufenthalt in Thailand, für vier Wochen erlauben, automatisch, ohne grosse Formalitäten und kostenlos. Ungeachtet dessen, wie lange ich tatsächlich in Thailand bleibe, heute zum Beispiel, sind es ein paar Stunden. Die Ausreisestempel in  Thailand sind dreieckig.
Jede Fahrt über die Freundschaftsbrücke, die über den Mekong führt und beide Länder miteinander verbindet, bedeutet für meinen Ausweis, hin und zurück, jeweils vier Stempel.
Mein Ausweis, ausgestellt über die deutsche Botschaft in Vientiane, ist gültig bis zum Jahre 2011, so lange.
Doch vor Ablauf seiner Lebesfrist wird er längst voll sein.
 

Vientiane, Sonntag
den 17. Juni 2001

Malaysia! Ein ganzer Stapel Bücher wartete auf der Terasse von Christoph auf mich. Sechs Jahre hat er in Malaysia gelebt, die meiste Zeit in Kuala Lumpur, doch er ist viel gereist in Malaysia. Reiseinformationen aus aller erster Hand, nicht ein langweiliger Diaabend, sondern Bilder in Worte gefasst, denen man die Liebe zu diesem Land entnehmen kann.
Es ist nicht weit. In Thailand war ich schon oft mit dem Auto, durch Thailand durch, fast bin ich jetzt schon ungeduldig, dass es mehr als 1000 Kilometer sein werden, bis mein Ziel anfängt.
Mein Ziel ist es unterwegs zu sein. Ost Malaysia kann ich in den vier Wochen auch schaffen, doch ich sollte es mir überlegen und besser wiederkommen, wieder kommen, es ist möglich, ich genisse den Augenblick den dieser Gedanke so richtig wohl tut, schliesslich ist es nicht weit. Es kommt auf den Standpunkt an und ich stehe auf Laos und von dort ist es nicht weit. Welch ein Luxus. Malaysia mit dem Auto, anhalten wo es mir gefällt und weiterfahren, wenn ich Lust habe etwas anderes zu sehen.
Malaysia was für ein Land. Alles ist möglich, Strand und Meer, Wandern im Gebirge, die grösste Höhle der Welt, National Nauturparks und grosse Städte.
Beim Grenzübertritt wird mir das Visum, kostenlos in den Pass gestempelt, für 4 Wochen. Die malaysische Botschaft in Laos hat alles kopiert, selbst die nur vorläufigen Autopapiere, wegen denen ich ein wenig Sorgen hatte, stellten kein Problem dar. Schliesslich weiss die Konsulin der malaysischen Botschaft, aus eigener Erfahrung, wie lange es dauert, bis die endgültigen Autopapiere für Laos fertig sind. Das beim Grenzübertritt von Thailand nach Malaysia zu erklären, wäre sicher deutlich schwieriger geworden.
Jeden Abend werde ich schon einmal ein bisschen reisen und wenn es dann wirklich losgeht, am 4. Juli werde ich das Gefühl haben, Malaysia schon ein wenig zu verstehen. Bücher sind soviel mehr als nur Papier.
 

Vientiane, Montag
den 18. Juni 2001

Die Sonne steht jetzt schon sehr schräg am Himmel, nicht mehr lange und es wird ganz dunkel sein. Noch kann ich nicht sagen, ob es wieder einen Sonnenuntergang geben wird, der den Himmel entflammt und alles in meinem Haus ganz besonders wertvoll aussehen lässt. Die Buchrücken als lebten sie ihre Geschichten im Verborgenen und nur dem aufmerksamen Beobachter entgeht ihr Eigenleben nicht.
Dann tut es mir besonders leid das Kamla nicht lesen kann und Sun Pan sich anstrengen müsste.
Dann verstehe ich den Eifer der Missionar früherer Jahrhunderte, bis Heute.
Ich wäre eine Missionarin für das Lesen.
Mit Freude betrachte ich Kai Kham, wenn er hinter dem Tor sitzt und sein Buch der Neonröhre entgegenhält, damit er die Worte lesen kann. Die Bücher bringe ich ihm aus Thailand mit. Aufgrund der nahen Sprachverwandschaft in Wort und Schrift, kann er thai lesen, wenn auch nicht ganz so leicht wie er laotisch lesen kann.
Laotische Bücher sind selten etwas anderes als Schulbücher. Ein Projekt fördert laotische Schriftsteller, im ersten Jahr gab es vier gedruckte Romane, junger Autoren. Eine Entwicklung ganz am Anfang.
Die Bücher in den Tempeln sind meist in Pali geschrieben und werden seit Jahrhunderten von den Mönchen und gelegentlich auch von Nonnen, auf Palmblätter kopiert. Kostbarkeiten, die teilweise in beklagenswertem Zustand sind.
Ein deutsches Restaurator Team hat sich vieler dieser Palmblattschriften gewidmet und konnte den Verfall verlangsamen und in vielen Fällen den Zustand der Schriften verbessern. Nach der Restaurierung wurden die Schriften wieder in Tücher gewickelt und den Tempeln zurückgegeben.
 

Thailand, Samstag
den 23. Juni 2001

Vor einer Stunde ist die Sonne aufgegangen. Viele der Betten in meinem Abteil sind schon gemacht, die oberen Betten sind wieder hinter der Klappe verschwunden. Die Frau über mir ist nicht mehr da, ich habe nicht bemerkt wann sie ausgestiegen ist.
Wir rattern auf Udon Thani zu, noch etwas mehr als eine Stunde und ich werde wieder am Bahnhof in Nong Khai sein. Dort wo ich vor zwei Tagen den Zug mit Ziel, Bangkok bestieg.
Das frische Grün der Reisfelder ist erfrischend und ich bin froh das es das noch gibt, in Bangkok kann man diese Bilder beinahe vergessen.
Ein junger Wasserbüffel hat den Wettkampf mit dem Zug aufgenommen. Er ist noch nicht ganz ausgewachsen. Mit leicht gesenktem Kopf und weit ausholenden Hufen rennt er neben dem Zug her. Mühelos überspringt er auch die niedrigen Erdwälle, die das Wasser in den Feldern halten und auf denen die Farmer, am Abend nach Hause gehen werden. Tatsächlich gelingt es dem jungen Büffel eine ganze Weile mit meinem Abteilfenster Schritt zu halten, dann langsam fällt er zurück.
Sein Tempo überrascht mich und die Kraft die in seinen Muskeln steckt.
Ein Bild des Übermutes und der Kraft.
 

Vientiane, Samstag
den 23. Juni 2001
am Abend des selben Tages erlebte
Peter Lisboa  folgendes, dass er in seinem Laos Diary aufschrieb:

Eine Minute früher oder eine später, warum war es nicht so? Das hätte mit alles erspart. Zufall? Schicksal? Vorbestimmung!
Ich war abends im Khop Chay Deu und nachher beim Singen im Watcharaphorn. Eigentlich wollte ich dann auf dem Weg ins KCD zu Hause nur Geld holen, habe aber noch E-Mails gecheckt und beantwortet.
Hätte ich einen Satz weniger geschrieben, einen weniger beantwortet oder gar kein E-Mail bekommen, wäre ich zu früh an die Stelle gekommen, hätte ich einen mehr geschrieben, wäre ich wohl zu spät gekommen. So hab ich alles gesehen. Kreuzung-Ampel- wird gelb- dann rot. Das Auto vor mir wird ziemlich schnell und will noch nach links abbiegen, übersieht dabei einen entgegenkommenden Motorradfahrer, erwischt ihn voll.
Der Motorradfahrer wird über den Kombi geschleudert und bleibt genau vor meinem Auto liegen, das Unfallauto selbst fährt noch übers Motorad. Ich denke mir "Scheiße,das war heftig."  In Sekundenschnelle geschieht der Rest. Der Fahrer des Motorrades liegt schwer verletzt am Boden, die Polizei, die an dieser Kreuzung stark postiert ist, stürmt auf den Autofahrer, einen russischen Diplomaten (das habe ich am
Kennzeichen erkannt) zu und nimmt ihn sofort fest. Der Motorradfahrer scheint wirklich übelst mitgenommen, er liegt regungslos am Boden. Die Polizei hält mich auf und sagt "Hoong muo", Krankenhaus. Wäre ich später oder früher an diese Stelle gekommen, niemand hätte den Mann gleich ins Krankenhaus fahren können.
Vorbestimmung! Het Bun Dai Bun. (Tu Gutes und dir wird Gutes geschehen.)
Der Schwerverletzte wird auf meinen Pickp geladen, zum ersten Mal sehe ich das Ausmaß seiner Verletzungen. Glassplitter in den Augen, total verdrehte, weil gebrochene Beine und Arme, Blut am ganzen Körper, schlimm kaffende Platzwunde am Kopf und ein schmerzvolles Stöhnen, das mir nie mehr aus dem Kopf gehen wird. Wir fahren ins Mahosot Hospital, und der Arme wird ausgeladen. Er kann fast nicht getragen werden, schreit unter sehr großen Schmerzen. Schließlich liegt er auf der Bahre und wird zur Erstversorgung ins Krankenhaus das mich immer schon mehr an ein Krematorium als an ein Hospital erinnert hat. Aber, jedenfalls wird dem Mann nun geholfen."
Ich bin erleichtert und fahre ins Chess Cafe, aber weder hier noch im Sorathith kann ich mich von den Bildern losreißen, es war einfach zu heftig. Ich hoffe wirklich, dass der Mann Morgen noch lebt, ich will ihn nächste Woche besuchen.
Das Ganze hat mich heute emotional ziemlich schlecht drauf gebracht. So schnell geht das...mit allem.
© Peter Lisboa
 

Vientiane, Montag
den 25. Juni 2001

Zwei Grundstücke weiter, ist gestern nacht eingebrochen worden. Es ist der dritte Einbruch in diesem Haus und immer ist es auch noch die selbe Familie. Sunpan kommt ganz aufgelöst in mein Arbeitszimmer und berichtet mir das sie diesmal Alles, geklaut hätten. Seit einem halben Jahr hat die Familie einen Hund, die billigste Variation eines Nachtwächters.
Ein lieber Kerl, jedoch äusserst ängstlich und noch nicht ganz ausgewachsen.
Wahrscheinlich hat er sich irgendwo versteckt als die Diebe kamen.
 

Vientiane, Dienstag
den 26. Juni 2001

Kai Kham hat heute abend vor dem Tor gesessen und mit Kam Hu und deren beiden Brüdern gesprochen. Sehr lebhaft war es da, vor meinem Tor. Ich weiß schon, dass sie über den Einbruch von gestern nacht sprechen und das ich bald ganz genau informiert werde. Vor allem Kam Hus Stimme ist es die der Wind bis zu mir auf die Terasse weht, sie klingt aufgeregt  und scheint am Besten informiert zu sein. Seit dem sie eine private Kinderkrippe hat, ist sie nicht mehr oft in der Stadt und jeden Tag zu Hause. Sie teilt sich die Arbeit mit ihrer Mutter und ihrem Vater. Drei bis vier Kinder, im Alter von einem bis drei Jahren, betreuen sie. Ihre Brüder sind tagsüber selten zu Hause.
Am Tag findet das Leben unter dem Stelzenhaus statt und ist öffentlich. An den Balken ist eine Korb aufgehängt, in dem der Kleinste seinen Mittagschlaf hält. Die anderen liegen zusammen mit den Erwachsenen auf den beiden Betten, aus halbiertem Bambusrohr und schlafen oder dösen.
Wenn die Mädchen aus der Näherei ihre Mittagspause haben und spazieren gehen, weil sie keine Lust haben vor der Näherei zu sitzen, bleibt auch so manch eine der kleinen Gruppen von Mädchen an Kam Hus Elternhaus stehen und es wird über dies und das geredet. Da kommen Informationen zusammen, schneller als die Polizei sie sammeln kann.
Einer der Polizisten kommt bestimmt aus diesem Dorf und der Hausbesitzer, der Selbe wie bei mir, wohnt ebenfalls in diesem Dorf, gleich neben der Näherei.
So ist auch das Erste, das ich später erfahre, das bei dem Einbruch niemand aus dem Dorf dabei war. Natürlich wurde nicht alles gestohlen. An Möbeln haben die Diebe nie Interesse, zu schwer zu verkaufen. Was sie interessiert ist Bargeld, Schmuck, Fernseher, Stereoanlage und vielleicht noch der Computer. So ist bei meinem Nachbarn all dies gestohlen worden, bis auf den Computer. Er und seine Frau waren zu Hause und haben geschlafen. Sie haben den Einbruch erst am Morgen bemerkt und direkt den Vermieter benachrichtigt. Er hat sich dann um alles weitere gekümmert. So war er auch bei der Tatortbegehung dabei. Die Diebe waren sehr ordentlich, nicht einmal Fussspuren gab es auf dem Steinfussboden, der möglicherweise der Gleiche ist, wie in meinem Haus.
Kai Kham hat in der Nacht nichts gehört, ein fast noch bebautes Grundstück liegt zwischen Meinem und dem Haus in dem eingebrochen wurde. Dort steht ein Haus aus Holz, das Mr. Somay, mein Vermieter, vor vielen Jahren gebaut hat. Um das Haus kümmert er sich nicht mehr, es zerfällt allmählich, als wachse es in die Erde zurück. Im Garten wird regelmässig  das Gras gemäht, aber keine Früchte geerntet. Sternenfrucht wächst inzwischen bis über meine Mauer, die sauerste Sorte, aber dennoch köstlich. Ich ernte wo ich kann, der Rest ist für die Termiten, Ameisen und Fliegen.
Dann kommt das dritte Grunstück, dass Mr. Somay gehört. Dort steht ein Steinhaus, ähnlich dem Meinen.
Ein russisches Ehepaar wohnt in dem Haus, sie leben sehr zurückgezogen. Ich sehe ihn am Morgen in seinem Auto, oder das Tor öffnen, oder schließen, wenn er zur Arbeit fährt. Seine Frau habe ich so selten gesehen, dass ich nicht einmal sicher bin, sie am Nam Puh, oder auf dem Dtalat Sau (Morgenmarkt), zu erkennen.
Meine beiden Hunde haben sich mit den Hunden von Kam Hu verbündet. Ich weiss nicht wieviele sie eigentlich hat, tagsüber laufen eine Menge Hunde bei ihr herum. Laotische Hunde geniessen die grosse Freiheit, keine verschlossenen Türen und nur selten einen Zaun, der ein Hinderniss für sie darstellen könnte. Sie bleiben in ihrem Revier und gehen nie weit weg. Nachts passen sie alle zusammen auf. Wenn bei uns vor dem Tor etwas zu hören ist, dann schlagen auch Kam Hus Hunde an und ich weiss nicht wieviel Hunde da bellen. In der Nacht sind es nicht soviele wie am Tag und manchmal glaube ich vier oder auch nur fünf zu hören, zusammen mit Blacky, die immer in den Chor einfällt. Leslie hält sich mehr zurück, ob sie wohl nur dann bellt, wenn es ernst ist?
Das Haus meiner russischen Nachbarn ist zu weit von Kam Hus und meinem Haus weg. Ihr Haus liegt gegenüber dem langen Grundstück von Kam Hu, dorthin kommen in der Nacht nicht mal die Gänse und auch die paar Kühe sind in der Nähe des Stelzenhauses angebunden. In der Nacht schlafen ihre Hunde auf dem Tisch, der zur Betonsitzgruppe gehört, oder auf den Bambusbetten. Zum Bellen laufen sie nur ein kleines Stück bis auf den Weg, vor dem Tor, das einmal ein Bettenrost war.
 
 

Vientiane, Freitag
den 29. Juni 2001

Kai Kham und seine Familie sind besorgt um mich. Sie wollen am Vollmondtag eine Basi für mich machen, damit mir auf der langen Autoreise, durch Thailand und Malaysia nichts passiet. Doch Vollmond ist erst nächste Woche Donnerstag und da bin ich schon unterwegs.

Am Abend kommt Kai Kham zur Arbeit und ich merke ihm an, dass er immer noch mit dem Schutz meines Lebens beschäftigt ist.
Er fragt mich nach dem Buddha, den ich mir vor zwei Jahren, bei einem alten Mann gekauft habe. Ich habe ihn immer noch und er hat auch seine eigene kleine Geschichte. Längere Mopedtouren habe ich nie ohne diesen Buddha unternommen und auch als ich im letzten Jahr nach Deutschland flog, musste er mit. In Köln/Bonn am Flughafen merkte ich das ich die goldene Kugel unter dem Kopfkissen vergessen hatte. An den Betroffenen Gesichtern der anderen konnte ich ablesen, dass ich einen ziemlich verschreckten Eindruck machte. Es war zu spät um noch einmal zum Haus meiner Freunde zu fahren. Geistesgegenwärtig gab mir Stefanie einen Glückspfennig und sie tat es mit soviel Ernsthaftigkeit, dass allein dadurch der Pfennig schon zu etwas besonderem wurde.
Der Buddha selbst trat viele Wochen später seine eigene Reise an. Er reiste zu einem Freund, ganz schlicht mit Briefmarken und in einem kleinen Päckchen. Doch leider war der Freund schon auf dem Weg nach Laos, der Buddha kam zu spät. Zurück ging die Reise zu meiner Freundin, dort verschwand  er und tauchte erst 7 Wochen später wieder auf.
Wieder waren Bekannte im Begriff ihre Reise nach Laos anzutreten und diesmal ging alles gut und ein paar Tage später war mein Buddha wieder bei mir. Doch die Reise hatte ihn Kraft gekostet, er war nicht mehr der Selbe, ich spürte es.
Kai Kham wusste das mein Buddha lange fort war und das er mir fremd geworden war, ich vertraute ihm nicht mehr auf die selbe Weise. Seltsam, aber ich schreibe es genau so wie ich es Heute formuliere und sehe, denn ich habe in den fünf Jahren in Süd Ost Asien als erstes gelernt diese Dinge nicht zu belächeln und eines Tages merkte ich, dass sich auch meine Einstellung zu ihnen verändert hat. Vor fünf Jahren hätte ich diese Zeilen so sicher nicht geschrieben.
Für Kai Kham war es gar keine Frage, dass mein Buddha von einem Mönch wieder aufgeladen werden muss.
Er wusste auch einen Mönch, der darin besondere Fähigkeiten hat. Dieser Mönch lebt in einem kleinen Wat, ausserhalb eines Dorfes, dass sich an eine Kurve schmiegt, die der Mekong macht.
Am Sonntag wollen wir die 30 Kilometer zu diesem Wat fahren.

Vientiane, Sonntag
den 1. Juli 2001

Wie verabredet wartet Kai Kham schon an der grossen Strasse auf mich. Der Regen hat die Strasse durch sein Dorf völlig aufgeweicht und es gibt wieder tiefe, schlammige Spurrillen, trockenen Fusses ist es nur mit der laotischen Geschicklichkeit zu schaffen. Kai Khams Schuhe sehen auch wirklich aus wie eben geptuzt.
Für die letzten 10 Kilometer bis zur Tempelanlage brauchen wir sehr lange. Hin und her werden wir geschüttelt. Die Sandpiste ist trocken und sehr breit. Hier fahren täglich viele Lastwagen hin und her, schwer überladen mit Kies, aus dem Mekongbecken.
Noch gibt es keine tiefen Spurrillen, in denen man hin und her schlittert. Keine lange Staubfahne ziehen wir hinter uns her, die Straße ist somit eigentlich im Idealzustand.
Riesige Sandberge türmen sich  auf dem freien Platz, am Rand der Tempelanlage. Ich erkenne das Wat wieder, hier war ich schon einmal mit Kai kham, damals war es um die Lottozahlen zu erfragen und auf dem Weg trafen wir auch einen Freund von Kai Kham, der den weiten Weg aus dem selben Grund gekommen war und sich dazu extra ein Moped geliehen hatte.
Auch der Mönch erinnert sich noch an mich. Er sitzt eine Stufe höher als Kai Kham und ich.Wir sitzen auf eine Reisstrohmatte, die Beine angewinkelt und die Füsse dicht an unseren Körper gezogen. Hinter dem Mönch, auf einer weiteren Stufe, ist eine zwei Meter hohe Buddhastatue, die mit einem freundlichen Lächeln auf uns herunter schaut, aus Mangel an goldener Farbe ist sie gelb gestrichen und das Gesicht ist so gemalt, dass man den guten Willen des Malers erkennen kann und den Mangel an Talent gerne übersieht. Diese Budddhas, die manchmal auch eine schiefe Nase haben, mag ich am liebsten.
Ich gebe Kai Kham den kleinen goldenen Buddha, denn aus meiner Hand darf der Mönch nichts annehmen und ich bin nicht sehr geübt in Demut. Der Buddha ist noch in einem kleinen blauen Beutel. Vorsichtig schaut der Mönch hinein, dann greift er in den Beutel und betastet die kleine runde Kugel, die mein Buddha ist. Langsam  legt er den Beutel in einen weissen Blechteller und den Inhalt des Beutels oben auf.
Kai Kham reicht mir einen Blechteller mit weißen Blüten und ich lege 50.000 Kip auf die Blüten. Drei Mal führe ich den Teller zu meiner Stirn und neige den Kopf, Kai Kham stellt den Teller in die Nähe des Mönches zurück.
Am Dienstag ist ein besonders guter Tag und der Mönch möchte die Zeremonie für meinen Buddha an diesem Tag machen. Wir können ihn dann am Dienstagabend wieder bei ihm abholen.
Schade, doch so muss es wohl sein. Der Mönch sieht serh müde aus und ich denke daran, dass es zwischen 3 und 4 Uhr aufgestanden ist.
Weder Kai Kham noch ich wollen ihn um seine Mittagsruhe bringen und fast eilig, verabschieden  wir uns.
 

Vientiane, Dienstag
den 3. Juli 2001

Ein Boot mit geschmuggelten Tomaten hat gerade angelegt. Schnell nehmen die jungen Männer ihre Beine in die Hand und laufen das steile Ufer hinunter und laden sich die schweren Körbe auf die Schulter.
Die Tomaten und auch einige Körbe mit Kohl, sind für den Abendmarkt bestimmt. Ich stelle mir vor wie der Dorfpolizist gerade jetzt eine Abkühlung in seinem Haus sucht und der Bürgermeister für sein Schweigen ein paar Ziegel für das Haus, dass er gerade baut.
Diese plötzliche Anwandlung von Belebtheit liegt hinter uns und wir befinden uns im Niemandsland, zwischen Reisfeldern und hohen Bambushainen. Nach dem nächsten Dorf sind wir am Tempel.
Kai Kham zieht seine Schuhe aus und ist schon im Haus des Mönches verschwunden. Mich hat ein Maler aufgehalten.
Ein Maler bei der Arbeit. Er malt die Bilder, die den Lebensweg Buddhas erzählen, an die Wände der Gebetshalle. Seine Bilder lassen Talent erkennen, ich bin beeindruckt und überlasse mich ganz seinem Pinselschwung und betrachte die Bilder die bereits fertig sind.
Kai Kham kommt zu mir und fragt ob ich ein Bild kaufen wolle, ich verstehe nicht gleich und einen kurzen Moment glaube ich sogar er scherze nur. Ka Kham redet eine Weile mit dem Maler, ich bin nicht nahe genug um verstehen zu können.
Ein kleines Buch wird aufgeschlagen und in ihm finden sich ähnliche Bilder, wie an den Wänden. Auf gleicher Höhe mit den Fenstern befinden sich gerahmte Bilder, die Buddha in verschiedenen Meditationshaltungen zeigen, an unterschiedlichen Orten, das gemeinsame ist gleichzeitig das verbindende der Bilder.
Diese besonderen Bilder stellen die Wochentage dar und zwei Tage sind noch zu haben, der Samstag und der Sonntag.
Kai Khams Augen funkeln verdächtig und ich merke wie sich dieses Funkeln überträgt und schon erfüllt es auch mich. Das Bild für den Samstag, erzählt wie Buddha eines Tages lange meditiete und schwere Regenwolken zogen sich über ihm zusammen. Eine riesen Kobra in der Nähe bemerkte dies und schlängelte sich langsam an Buddha heran. Buddha, so versunken in seine Meditation, bemerkte nichts von den Geschehnissen um ihn herum. Langsam richtete sich die Schlange hinter Buddha auf. Sie entfaltete ihre wahrhaft gigantischen Backentaschen und beugte sich als schützender Schirm über Buddhashaupt, so das dieser von keinem Regentropfen berührt wurde. So verharrte Buddha und die Schlange viele Stunden.
Es ist ein sehr schönes Bild und schon bin ich entschlossen. Der Maler wird die heilige Schlange malen, mit neun Köpfen.
Nun bekommt das Wat zu den zwei Säcken Zement für das Aufladen meines Buddhas, 150.000 Kip zusätzlich und ich werde ein Bildnis Buddhas in einem Tempel immer besonders in Erinnerung haben. Lona Duerkop wird über dem Bild stehen.
Wenn ich aus Malaysia zurück sein werde, wird das Bild fertig sein.
Während der Weg meiner Reise Kilometer um Kilometer wächst, wird ein Bild in Laos immer deutlicher hervortreten.
Was kann es noch für einen stärkeren Schutz geben?
Der eigentliche Zweck dieser Fahrt, meinen aufgeladenen Buddha abzuholen, gerät etwas in den Hintergrund.
Dieser Tag barg eine wirkliche Überraschung.
 

Vientiane, Freitag
den 10. August 2001

Was für eine Begrüssung. Leslie sehe ich schon auf der Strasse an, dass sie säugt, vor allem die beiden hinteren Zitzen sind langgezogen. Blacky springt an mir hoch und hört gar nicht mehr auf. Kai Kham strahlt wie die neue Beleuchtung am Annu Savarie, dem Triumphbogen von Vientiane.
Am 28. Juli hat Leslie ihre ersten beiden Jungen unter Kai Khams Bett bekommen, ein leises Winzeln hatte ihn geweckt und es dauerte eine Weile, bis er begriff von wo es kam. Als er am nächsten Abend zur Arbeit kam, waren alle Hunde geboren. Sechs schmale, schwarze Winzlinge. Keiner der Welpen hat die braune Färbung des Rüden, einziges Zugeständnis, zwei weisse Vorderpfoten, eine weisse Brustzeichnung und zwei mit einem weissen Tupfen am Ende der drolligen Schwanzspitze. Das kleinste Welpen, ist das einzige Mädchen.
Leslie sieht ziemlich ausgezehrt aus. Da ist es ein Glück, dass zwei Kilo Müsli von Ameisen befallen sind, Leslie wird zwei Mal am Tag Müsli mit Milch fressen, zusätzlich zum Hundefutter, pur, nicht wie sonst mit Reis.
 

Vientiane, Montag
den 13. August 2001

Bolikhamsay Provinz, Paksan District im Süden von Laos, ist am Meisten betroffen von den letzten starken Regenfällen. Etwa 5.000 Hektar Reisfelder sind überflutet und schwer beschädigt, die Laufdämme der Reisfelder wurden weggespült.
Die Strasse Nr. 13 hat sich in einen Fluss verwandelt, eine alte Frau paddelt mit ihrem schmalen Langboot, zum Haus ihrer Schwiegertochter. Am 11. August gegen Mitternacht, sah sie das Hochwasser stetig anwachsen. Inzwischen ist der Wasserspiegel bis an die Tür ihres Stelzenhaus angewachsen. Das Boot hat sie an eines der Fenster gebunden.
Ihre Reisernte für dieses Jahr ist dahin und sie weiss sie wird Reis kaufen müssen, auf dem Markt. Sie hofft das die Regierung bald Hilfslieferungen schickt.
Neben den täglichen Besuchen bei ihrer Schwiegertochter bleibt ihr nicht viel mehr zu tun, als den immer noch wachsenden Fluten zuzusehen.

100 Hektar Reisfelder sind in der gesammten Vientiane Provinz überflutet worden. Die Regierung hat schon neues Saatgut bereit gestellt, sobald das Hochwasser zurück geht, können die Famer in Vientiane mit der Aussaat beginnen.
In der Innenstadt zeigt sich der Mekong in seiner Regenzeitbreite, schnell und zahm, der Unterschied zur Trockenzeit beträgt
10 Höhenmeter.
 

Udon Thani Thailand, Dienstag
den 14. August 2001

Gestern noch waren alle Flüge von Bangkok nach Udon Thani abgesagt worden. Erst heute morgen um 6 Uhr war klar, dass der heutige Flug, Bangkok - Udon Thani, planmässig verlaufen würde.
Acht Kilometer vor Udon hatte sich die Strasse in einen Fluss verwandelt, links und rechts standen die Reisbauern mit ihren auf Bambus gespannten Netzen, die sie immer wieder in die überfluteten Reisfelder warfen. Viele hatten ihre Kinder dabei, die munter im Wasser spielten. Ab und an sah ich sogar ein paar Autoreifen als Spielzeug.
Die Räder des Lastwagens vor mir sprühten Wasserfontänen bis auf die benachbarte Spur. Einmal fuhr ich zu dicht auf und für einen Augenblick war mir sämtliche Sicht genommen, diese Wassermenge schafften auch die Wischer nicht mehr.
Eine Stelle war besonders haarig, hier trat der kleine Fluss, der die Strasse unterirdisch unterquerte über sein Ufer und überspülte die Strasse, die Strömung war beachtlich und das Wasser mehr als 30 cm tief. Die Strömung folgte der alten Fliessrichtung, hier war der Fluss auf mehrer Meter angewachsen und galt zu durchqueren. Ich nahm weiter Abstand von dem Lastwagen und hielt das Lenkrad noch fester, wenige Minuten später hatte ich es geschafft.
Von jetzt an warf ich immer wieder prüfende Blicke zum Himmel, wenn es jetzt regnen würde, dann würde ich mit meinen beiden Freundinnen, die ich am Flughafen abholen würde, sofort nach Vientiane zurückfahen und die nötigen Einkäufe verschieben, wenn der Fluss weiter anschwoll, würde ich nicht mehr durchkommen.
Zum Glück blieb es den ganzen Tag trocken.
In den grossen Grünflächen zwischen den Landebahnen, des ehemaligen amerikanischen Flughafens, waren von der Besucherplattform aus, nur  grosse Pfützenflächen übrig geblieben.
 

Botschaft
Der Bundesrepublik Deutschland
Vientiane
Embassy
Of the Federal Republik of Germany

Reisehinweise des Auswärtigen Amtes
Demokratische Volksrepublik Laos
Sicherheitshinweise für Laos P.D.R.

Unverändert gültig seit: 20. August 2001

Das Auswärtige Amt sieht derzeit keinen Anlass, von Reisen nach Laos generell abzuraten. Die nachstehenden Sicherheitshinweise sollten jedoch unbedingt beachtet werden.

Die Fortbewegung auf dem Land- und Luftweg, aber auch per Boot ist witterungsbedingt nicht immer ohne Risiko möglich; entsprechend der Jahreszeit stehen bestimmte Transportmittel nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.

Zwei Abstürze im Norden des Landes im Jahr 2000 unterstreichen, dass die Flugbedingungen in Laos generell, inbesondere Flugbetrieb, Ausbildung und Wartung bei der einzigen im Inlandsflugverkehr operierenden Fluglinie "LAO AVIATION" noch nicht den international gültigen Sicherheitsstandards entsprechen. Ausnahme bilden die im nationalen und internationalen Flugbetrieb eingesetzten französischen ATR-Maschinen, die in gutem Zustand sind und ordnungsgemäß gewartet werden. Vor der Benutzung der ansonsten im Einsatz befindlichen Maschinen chinesischer Herkunft (Y12, Y7) wird gewarnt.

Auf Risiken, die von häufig wechselnder Witterung ausgehen, wird hingewiesen.

Bei der Benutzung der Landwege im nördlichen Landesteil, wo die Haupttouristenziele Luang Prabang und die Ebene der Tonkrüge liegen, ist insofern Vorsicht geboten, als die Straßen teilweise durch unsichere Gebiete (insbesondere der Bergregion zwischen Phoukhoun und Phoukout sowie die Distrikte Paxai und Muang Khoun in der Provinz Xiengkhouang) führen, in denen sich in den vergangenen Jahren, aber auch jüngst wieder mehrfach bewaffnete Überfälle und Anschläge ereignet haben. Reise zur Ebene der Tonkrüge sollten sich auf die ausgewiesenen Touristenziele beschränken und unter allen Umständen nur in Begleitung ortskundiger Reiseführer stattfinden.

Seit Ende März 2000 kam es in Vientiane und anderen Orten wiederholt zu politisch motivierten Sprengstoffanschlägen. Es waren mehrere Todesfälle sowie Verletzungen und Sachschäden zu beklagen. Die Sprengstoffanschläge trafen u.a. den Inlandsterminal des Vientianer Flughafens, ein Hotel, das Hauptpostamt in Vientiane, den größten Markt, den zentralen Überland-Busbahnhof und den Grenzübergang nach Thailand an der Freundschaftsbrücke. Trotz der verhältnismäßigen Ruhe seit dem letzteren größeren Anschlag (24.01.2001) sollten Besucher sich bewusst sein, dass weitere Anschläge nicht auszuschließen sind.

Obwohl Laos insgesamt ein Reiseland mit derzeit geringem Kriminalitätsrisiko ist, darf nicht übersehen werden, daß insbesondere in Vientiane sowohl Diebstähle als auch Raub von Geld und Wertgegenständen häufiger als in der Vergangenheit zu verzeichnen sind. In letzter Zeit wird auch von Einzelfällen sexueller Gewaltanwendung gegen Touristinnen berichtet.

Auf den Wasserwegen in Laos verkehren Schnellboote ("Speed Boats"), die mit halsbrecherischer Geschwindigkeit Personentransporte durchführen. Es kommt mit diesen Booten immer wieder zu Unfällen, oftmals mit tödlichem Ausgang. Da auf fast allen Strecken auch normale Boote (sog. "Slow Boats") verkehren, sollte auf die Benutzung der Schnellboote unbedingt verzichtet werden.

erschienen: 29.08.2001

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland (Satthantut Jellaman)
Sokpaluang Road 26
P.O. Box 314
Vientiane  (Laos P.D.R.)

Vientiane, Montag
den 3. September 2001

Als Sunpan um 16 Uhr, mit ihrem Fahrrad nach Hause gefahren ist, fuhr ein kleiner Hund in ihrem Lenkerkorb mit. Etwas neugierig, aber auch etwas ängstlich schaute er über den Rand des weißen Gitters in die Welt, jenseits des Tores, die er erst Gestern zum ersten Mal betreten hat und da war er auf der Betondecke vor dem Tor stehen geblieben, weil Leslie dort angebunden war und im Stehen suchte er ihre Zitzen und stieß fordernd immer wieder mit der Schnautze in das weiche Fleisch.
Heute soll er soviel weiter fahren, bis in ein neues zu Hause.
Schwarz mit einem weissen Stern auf der Brust.
 

Vientiane, Dienstag
den 4. September 2001

Die Uhr am Laptop zeigt in ihrer winzigen Genauigkeit, 9 Uhr 38, in Deutschland schlafen jetzt noch alle, die keine Nachtschicht haben.
Fünf Stunden zurück, ein schönes Gefühl so früh auf zu sein, wenn ich es mir auch von hier aus so leicht erschummeln kann.
Gerade habe ich den Stecker rauss gezogen, die Stromleitung schafft den Monsunregen nicht, ein Wunder dass das Telefon noch geht, ich immer noch connected bin und jetzt gerade etwas schreibe, das sobald ich es abgeschickt habe, auf einem Server in Deutschland landet und dort von den ersten Frühaufstehern gelesen wird.
Schon wieder war das Licht kurz weg.
Alles ist abgewaschen da draussen vor meinem Fenster, alles grün und glänzend. Die Gebäude in der Stadt kommen nicht so gut weg, schwarze Schimmelwände, ein neuer Anstrich jedes Jahr ist nicht zu bezahlen, auf Dauer.
Nichts hält ewig, einer der Mangobäume ist entgültig gestorben, weiss er noch das er wartet, auf die Männer mit dem langen Messer, die ihn Meter für Meter kürzen, wenn es nicht menr regnet? Wenn es nicht mehr regnet, eine fast magische Formel, ich lasse es durch meinen Kopf schweben, wenn es nicht mehr regnet, hat mein Vermieter auch neue Stromleitungen unter dem Dach versprochen.
So warte auch ich darauf das es nicht mehr regnet.
 

Vientiane, Mittwoch
den 5. September 2001

"Sechs kleine Negerlein, die gingen mal spazieren. Eines fuhr mit dem Fahrrad fort, da waren es nur noch Fünf.
Fünf kleine Negerlein, die tollten mal am Tisch. Eines wurden hoch genommen, da waren es nur noch Vier."

Wieder hat ein kleiner Hund ein neues zu Hause gefunden. Mein Vermieter hatte schon bald nach dem Wurf, den Wunsch geäussert einen Hund zu bekommen. Als er heute kam um eine kleine Reperatur im Haus zu machen, sagte ich ihm das er gerne einen kleinen Hund mitnehmen könnte.
Alle lagen sie unter dem Tisch auf der Terrasse und ohne einen Augenblick zu zögern, nahm Mr. Somay einen von den Flauschigeren hoch. Ich finde sie sehen aus wie Gummibärchen.
Auf dem Weg zu seinem Moped vergewisserte er sich, zum zweiten Mal, ob es auch wirklich ein Rüde ist, dass war ihm, unverkennbar, wichtig.
Mr. Somay hat schon zwei Hunde, so ist der Kleine nicht allein. Vor allem hat Mr. Somay durch die Mieteinnahmen seiner beiden Häuser, dem Verkauf von Benzin an seiner Tankstelle und während den beiden Ernten im Jahr, in denen seine Reismühle in Betrieb ist, genug Geld, um auch einmal einen Tierarzt zu bezahlen und ich hoffe er wird es auch tun, wenn es notwendig werden sollte.
Leslies Junge aus den beiden vorigen Würfen sind bis auf Blacky, alle tot.
 

Vientiane, Donnerstag
den 6. September 2001

Wie nahe sich völlig verschiedene Welten kommen können.
Immer noch habe ich mich nicht ganz an den plötzlichen Wechsel gewöhnt, wenn im Lao Plaza Hotel, der weiß livrierte Portier, mir mit einem  Lächeln die Türe aufhäl und die schwere Glastür sich langsam hinter mir verschliesst  und die Geräusche der Straße verschwinden, einer laotischen Straße, einer Straße in Vientiane.
Nicht mehr zu hören das Knattern der Tuc-Tuc´s, die auf der Suche nach Fahrgästen die Straße herauffahren, nicht mehr zu hören, das Klingeln der kleinen Glocke des Baguette Verkäufers, der eine kleine Allukiste auf dem Gepäckträger montiert hat, in dem er sein Baguette aufbewahrt.
Vor mir breitet sich der Marmorfußboden aus, bis zur Rezeption, die so weit von der Tür entfernt ist, dass man mich dort noch nicht bemerkt hat. In den beleuchtenten Vitrinen des kleinen  Ladens, werden Uhren angeboten, von deren Verkauf eine laotische Familie zwei Jahre leben könnte. Dieser Uhren Boutique, schliessen sich weitere exklusive Ladenlokale an.
Die Sesselgruppen, die sich um kleine Rauchtische versammelt haben, sehen schwer und einladend aus. In ihnen sind ein paar Experts versunken, die Laos auf dem Weg nach oben helfen wollen.
Hinter ihnen die Treppe zur Galerie ist mein Ziel. Dort ist das Büro meines Internet Servers und ich komme alle zwei bis drei Monate um meine Rechnung zu bezahlen, in Dollar. Mit dem Rat meine Homepage nach 0 Uhr zu aktualisieren, verlasse ich die freundliche Laotin, die ein sehr gutes Englisch spricht und schwebe die Treppe hinab.
In welche Welt sie nach Feierabend wohl zurückkehrt?
Aus der Tür die sich schon geöffnet hat, kommt mir die warme Luft entgegen.
Die Stufen, die einer Riesin würdig wären, bringen mich zurück in die wirkliche Welt, in die Welt der Geräusche, die ungedämpft und ungefiltert, meine Sinne erreichen.
 

Bangkok, Freitag
den 7. September 2001

Zum wievielten Male schlängel ich mich durch diesen Verkehr der etwas Wahnsinniges hat?
Mopeds, die mir fast den Spiegel abfahren, oder ihrem Sozius die Knie, und wie durch ein Wunder geschieht weder das Eine noch das Andere. In dieser Stadt macht es Sinn, eins von diesen Mopeds zu nehmen, wenn man so verrückt ist, es eilig zu haben und verrückt sind hier viele, auch ich, sonst wäre ich nicht ein wenig besessen, von dieser Stadt, die alles hat, den Teufel und den lieben Gott.
Die Arbeitsaufteilung zwischen den Beiden ist nicht optimal, aber die Gewohnheit macht es zum Gesetz, wer viel hat, bekommt noch mehr, ob das jetzt Teufel oder Gott ist, darüber kann ich jetzt beim besten Willen nicht nachdenken, sonst fahr ich dem Vordermann drauf, ein grün-gelbes Taxi, die Dompteure der Strasse.
Der Verkerh schießt mit 80 Stundenkilometern durch die Venen der Stadt. Ein langsameres Fahrzeug ist ein Blutgerinsel und alles stock und steht. Die Ampeln beherschen den Blechfluss nicht ganz, weil den Fahrern die Farbe längst schon egal ist und im Chaos und Chaos herrscht hier meist, müssen die großen stattlichen Polizisten mit ihren Trillerpfeifen einpfeifen, oder mit unbewegter Miene, die behandschuhte Hand schwenken, wie ein Vogel der einen lahmen Flügel wiederbelebt.
Polizisten können das Schlimmste verhindern, den absoluten Stillstand. Und wenn nicht, wohl dem, der sich eingedeckt hat, mit Fernseher, Wasserkocher, Rasierapparat, alles mit passendem Stecker für den Zigarettenanzünder.
Manch einer telefoniert nur. Das Leben in Bangkok findet nicht auf der Strasse statt, sondern im Auto.
Hier werden Verträge abgschlossen, Verhandlungen geführt, Kinder erzogen.
Ab dem einem entsprehenden Einkommen, entrinnt man dem Verkehrschaos, man überfliegt es und landet auf dem Dach des Towers, in dem das Büro sich befindet, Helikopter haben keinen Stau.
Ein Krankenwagen mit Blaulicht ist hier ein Fahrzeug wie jedes andere und so steht und fährt auch er, wie die Anderen stehen und fahren. Einzig die Busfahrer haben den Krieg gewonnen, allein durch Größe und nach vorn ausgerichtetem Fahren.
 

Vientiane, Dienstag
den 11. September 2001

Kamla schiebt sein Fahrrad durch das Tor, sein Körper hüpft ein wenig auf und ab, bei jedem Schritt. Kamla hatte Kinderlähmung, als er ein Junge war. Unsicher wackelt er mit seinem Kopf hin und her, er ist noch nicht sicher, ob ich wieder am Schreibtisch sitze, dass Laptop wie eine kleine Mauer zum Fenster hin aufgebaut, jetzt hat er mich gesehen und winkt. "Sa bei di."
"Sa bei di, Kamla."
Noch immer lachend humpelt er an meinem Fenster vorbei, hinters Haus und schon bald ist er wieder da, mit einem Besen, aus zusammen gebundenen Ästen. Heute liegen wenig Blätter auf dem Rasen und in der Auffahrt.
Heute ist wieder alles so, wie es sein soll. Sunpan ist noch da, so wie immer geht sie um 16 Uhr nach Hause, meist später.
Gestern war Sunpan schon weg, als Kamla kam, dass war noch nie vorgekommen und zuerst wollte er gar nicht glauben, dass Sunpan schon in ihr Dorf gefahren war.
Heute braucht er nicht auf das kleine Gespräch zu verzichten, dass manchmal kess, leise oder laut ist und manchmal macht Sunpan ihm auch die Freude und flirtet ein wenig mit ihm, wenn sie dann auf ihr Fahrrad gestiegen ist und schon nicht mehr zu sehen ist, muss Kamla erst einmal eine Zigarette rauchen, in aller Ruhe, im Stehen.
 

Vientiane, Mittwoch
den 12. September 2001

Auf den Straßen ist keine Veränderung zu spüren.
Am Abend bei Freunden auf dem Bildschirm, werden die Nachrichten zu Bildern, die dennoch unwirklich bleiben.
Immer wieder zeigt CNN das verschwinden des ersten Flugzueges im Nordturm des Word Trade Centers und die unmittelbar darauf folgende Explosion.
Im Wohnzimmer ist es still, einzig die aufgeregte Stimme der Reporterin beherrscht den Raum.
 

Vientiane, Donnerstag
den 13. September 2001

Präsident Khamtay Siphandone teilt George Bush sein Anteilnahme in einem Telegram mit.

"The goverment and people of the Lao Democratic Republic and myself have learned about the unprecedented terrorist attack against the World Trade Center and the Pentagon in the United States of America, which has caused tremendous loss of life and assets. In the wake of this tragic event, the Lao government and myself would like to express our profound sorrow to the US government and families of the victims. The Government of the Lao PDR reaffirms ist consistent policy to co-operate with the international community in the struggle against international terrorism."
 

Vientiane, Dienstag
den 19. September 2001

Ohn ist krank. Blass und sehr still liegt sie auf der Matratze, im Wohnraum der das Herz des Hausses ist. Hier wird auch gekocht, die Küche wird markiert durch ein niedriges Metallregal, auf dem das ganze Geschirr steht. Vier Email-Schüsseln, ein Teller aus Porzelan und an der Seite ist ein Plastikkorb festgebunden, aus dem ein paar Bambusstäbchen ragen und sechs kleine Löffel, sowie eine Gabel der, jeder Zinken, in eine andere Richtung weist. Auf der Mauer, die irgendwann einmal weiter gebaut wird, steht ein kleiner Kocher, mit zwei elektrischen Platten. Gas ist zu teuer.
Auf dem Betonfussboden spielt Kevin, mit einem feuerroten Auto, dass hier nicht hinzugehören scheint.
Kai Kham ist auf den Markt gefahren.
Gestern abend hat er sich 1.000 Baht geliehen und sein Bruder Seng, hat für eine Weile die Arbeit übernommen.
 

Vientiane, Samstag
den 22. September 2001

Die rote Erde wird aufgewirbelt und weht bis zu mir, über die Mauer, die ich nicht baute und doch kein Hinderniss, für dieses Gut ist. Auch die Musik erreicht mich und ich ordne die vertrauten Lieder den Autos zu, die zu einer Hochzeit fahren. Ein paar Häuser weiter, in meinem Dorf.
Das wird eine Nacht der Töne, der Lieder und des langsamen laotischen Lawongs.
Wer die Hitze kennt, der weiss warum die Tanzschritte, des Lawongs so bedächtig wirken und der der sie tanzt ist einfach nur dankbar und kann während einer Runde um einen imaginären Mittelpunkt, die Braut viel länger im Auge behalten, mit ihrer goldenen Krone im Haar und der Schärpe über ihrer Brust.
Königin für eine Nacht.
Heute ist Hochzeit in meinem Dorf.

Vientiane, Sonntag
den 23. September 2001

Am Mekong werden die ersten Stände für das traditionelle Bootsrennen aufgebaut. Was hier verkauft wird hat weniger mit der Tradition, als mit dem menschlichem Bedürfniss nach Besitz zu tun und wenn das Geld so wenig ist, dann darf es auch einfach eine Flasche Spülmittel, made in Thailand, sein. Nur so kann man das Angebot erklären. Es gibt alles und alles in einem bunten Durchinander. Dazwischen  Spiele, reine Glücksspiele wie die Lotterie mit Tischtennisbällen, die auf einen Rahmen geworfen werden, der in kleine Felder unterteilt ist, am Boden stehen Zahlen.
Geschicklichkeitsspiele, die unsere Großeltern auf ihren Volksfesten zu spielen pflegten, dass Werfen von Plastik oder Bambusringen über Flaschenhälse, die Ringe so klein, dass sie selbst aus der Nähe fast nicht über den Flaschenhals gehen. Zu gewinnen gibt es eine Flasche Bier, oder Pepsi, oder Mirinda wahlweise in rot, grün oder orange.
Das Bootsrennen beginnt am ersten Tag des Vollmonds, in diesem Jahr ist es der 2. Oktober, zufällig auch der Tag, an dem ich geboren wurde.
Immer zwei Boote treten gegeneinander an, in jedem dieser langen Boote finden 50 Frauen, oder 50 Männer Platz. Zu zweit sitzen sie auf den schmalen Holzbrettern die die Bank bilden, 25 schmale Bretter hintereinander. Eine gut trainierte Mannschaft schafft es die langen Paddel gleichzeitig ins Wasser zu stoßen, nach hinten zu ziehen, wieder heraus aus dem Wasser und wieder hinein. Ein Anblick den man nur schwer wieder vergessen kann.  Am Ende des schlanken Langbootes stehen vier oder fünf Männer, auch in den Langbooten der Frauen sind es Männer, die ihre langen Paddel in einer vollendeten Kreisbewegung in den Mekong und wieder hinaus führen. Ein harmonischer Kreis und ein langsamerer Bewegungsablauf als bei den Paddelnden.
Sie sind die Steuermänner und bestimmen durch ihre wippenden Körper, dass Tempo der 50 paddelnden Frauen und Männer. Das Boot ist aus Holz und die so erzeugte Vibration pflanzt sich im Körper der Bootsinsassen fort, eine ekstasische Stimmung macht sich breit, aufgeladen durch das in den Muskeln erzeugte Adrenalin.
Ein verbindender Rausch, unvergesslich, oft springen diese Funken auch auf die Zuschauer über, die sich in mehreren dichten Reihen hintereinander an den Mekongbänken drängen, die ganzen 1.500 Meter der gesamten Rengstrecke und noch einige Meter darüber hinaus und alle Mannschaften mit lautstarken Rufen anfeuern.
Jede Mannschaft startet zwei Mal, einmal Innen und einmal Aussen um Vorteile die strömungsabhängig sind, auszugleichen. Die Mannschaft die gewinnt kommt weiter, so das am Ende immer eine Mannschaft als einzige Siegesmannschaft hervorgeht. Viel Muskelkraft ist notwendig und am Abend feiert jede Mannschaft ihr Fest, auch die die es nicht geschafft haben. Am Abend kommt zu den Verkaufsständen immer die Musik, der Tanz und das Bier hinzu.
 

Vientiane, Mittwoch
den 26. September 2001

Ohn geht es wieder um soviel schlechter. Sie kann nichts essen und wenn sie sich doch dazu zwingt, dann kann sie es nicht bei sich behalten und stürzt auf das kleine Häuschen, neben dem Hühnergehege zu. Dort übergibt sie sich, oder ein Durchfall schwächt ihren Körper und die Folge sind immer Schüttelfrost, eine Kälte, die sich im  Körper breit macht.
Der Arzt in der Klinik, hat ihr Blut, letzte Woche, bisher nur auf Malaria und Denguefieber hin untersucht und nach dem der Befund negativ war, auf jeden Fall mal ein Antibiotika verordnet, zu nehmen über drei Tage. Ohn wünscht sich eine Infusion, aber im Haus sind 8.000 Kip, mehr ist nicht da, eine Infusion kostet 25.000 Kip. So bleibt Kai Kham nichts zu tun. Er nimmt Kevin mit in die Reisfelder und setzt ihn auf einen der Wälle, die ein Feld vom Anderen trennen und das Wasser in den Feldern halten. Mit einem Korb steigt er in das Wasser und versinkt bis über die Knöchel im lehmigen Nass.
Vielleicht findet er genug Schnecken für das Abendessen, oder wenn er sich ganz reglos verhält, einen kleinen Fisch.
Als er um 20 Uhr zur Arbeit kommt ist er sehr bedrückt und wir reden lange über Ohn.
Am nächsten Morgen wird er genug Geld haben um zum Arzt gehen zu können und ich hoffe sie haben Glück und ein guter Arzt hat gerade Dienst.

Vientiane, Dienstag
den 2. Oktober 2001

Wieder ist das Auto gepackt, die Formulare für die Freundschaftsbrücke, sowohl die Laotischen als auch die Thailändischen, ausgefüllt und die Fahrt kann losgehen. Wieder einmal ist das Ziel der Reise Bangkok, wenn alles gut geht, dann werde ich heute abend dort sein. Schon jetzt ist klar das ich in etwa 7 Stunden in Bangkok im dicken Stau stehen werde. Seltsam jetzt schon daran zu denken, wo die 28 Kilometer bis zur Grenze noch vor mir liegen und ich durch Vientiane fahren werde, die vertrauten Schlaglöcher treffen, oder auch nicht.
Bin ich erst einmal aus der Stadt, dann weiß ich schon wo die beiden Bodenwellen sind, die man kaum sieht, aber bei einer bestimmten Geschwindigkeit ordentlich in die Federbeine gehen, aus Erfahrung wird man eben auch klug.
 

Vientiane, Montag
den 22. Oktober 2001

Seine Cessna 180, steht auf dem Flughafen von Vientiane. Am 19. Oktober erfüllte sich ein Wunsch für Tom Claytor, er und seine kleine Maschine, genannt Timmissartok, erhielten als erstes privates Flugzeug, eine Landegenehmigung in Luang Prabang.
"Only as far as you dream can you go", sagt er mit grosser Überzugungskraft zu den Schülern der Vientiane International School, die sich um ihn versammelt haben und mit grossem Interesse seinem Bericht folgen.
Tom Claytor begann seine Reiese 1990 in Phildadelphia, seiner Heimatstadt in USA. In diesen 11 Jahren kehrte er nicht einmal zurück, erst später stellt sich mir die Frage, ob seine Frau ihm nachgereist ist und sie sich in den 70 Ländern, die Tom Claytor seitdem bereist hat, getroffen haben.
"Timmissartok is the Greenland word to fly like a bird." lässt er die Schüler wissen.
In die kleine Maschine ist ein zweiter Tank eingebaut, so das sie 3.600 Kilometer fliegen kann, was einer Flugzeit von etwa 15 Stunden entspricht. Mehr als 100.000 Meilen ist Tom Claytor seit seinem ersten Start geflogen, er hätte viel zu erzählen, doch leider ist seine Zeit begrenzt, ein entäuschtes Raunen.
Sein Dank gilt der laotischen Regierung, die ihm erlaubte als erster Privatmann in Laos zu landen.
Von Vientiane will er nach Hanoi, Vietnam fliegen und weiter nach Cambodia und Indonesien.
Sein bevorzugter Autor ist Antoine St Exupery, wie kann es auch anders sein.
Tom Clayor´s Reiseberichte würde ich gerne lesen, wenn es sie gäbe.

Vientiane, Freitag
den 9. November 2001

Der Himmel ist eine endlose graue Fläche. Mitten am Tag ist es so dunkel geworden, dass ich im Haus das Licht anschalte und die Deckenventilatoren ausschalte, denn es ist kühl geworden. Ich gehe zur Flügeltür und schaue hinaus.
Mitten auf dem Rasen unter der Kokospalme, steht Kamla, den Gartenschlauch in der Hand, wässert er den Rasen. Ich denke darüber nach, ob ich ihn darauf aufmerksam machen soll, dass es bald regnen wird, nicht das ich zu einer Entscheidung gekommen bin, doch ich sage nichts und kehre zurück in die Gemütlichkeit des Sofas, während Kamla mit dem grünen Schlauch langsam über den Rasen wandert.
Später wird mir klar das es gar nicht geregnet hat und  Kamla es einfach auf geheimnisvolle Weise wußte.
 

Vientiane, Sonntag
den 11. November 2001

Dunkel ist es und die Grillen zirpen, Laonet hat auch wieder Probleme und ich komme nur ins Net. Keine E-Mail kommt an, aber senden kann ich, doch noch weiss ich nicht wann sie ankommen, in Deutschland, mitten am Tag.
Ja, ich weiß, ich habe oft geschrieben, dass es einem Wunder gleich kommt, wenn man die Leitung entlang der Straße sieht: Ranken haben sie grün gemacht und hier und da ein großer Palmwedel, der seinen letzten Halt sucht, nachdem die Palme ihn abgeworfen hat, braun und traurig lehnt er da an Strom- und Telefonleitungen.
Nicht isoliert, wie mir jetzt ein Fachmann sagte, deshalb manchmal das Brummen, wenn ich den Hörer vom Telefon abnehme, klar dann geht das Surfen auch nicht mehr.
Ein Wunder also und ich habe mich nur zu schnell daran gewöhnt, doch ging es immerhin drei Jahre lang gut, fast gut ja.
Mal sehen wie lange es dauert, dass Surfen und das es überhaupt funktiniert, ja ein Wunder gewiss, ein Modernes eben.
 

Vientiane, Mittwoch
den 14. November 2001

Kein Wasser im Haus, den ganzen Tag. Nur vor dem Haus, Regen.
Mit dem Regenwasser habe ich eine große Tonne gefüllt und mit den vereinten Kräften von Pan und Kamla, die Tonne ins Haus geschafft. Bei diesem Unternehmen wurde viel gelacht und viele kleine Pausen gemacht.
Inzwischen habe ich ganz laotisch geduscht, fast laotisch, denn ich habe ohne Wickeltuch geduscht, jedoch mit einer Schöpfkelle aus Plastik mir das kalte Wasser über den Körper gegossen und die Seife abgespült.
Jetzt wo es auch in Laos kalt wird, heute am Tag waren es nur noch 21 Grad, bin ich froh, wenn die Wasserpumpe über dem Brunnen wieder repariert ist und ich heißes Wasser habe. Ich habe mich an diesen Luxus gewöhnt.
Kai Kham wird es auch vermissen, morgens duscht er immer, bevor er gegen 6 Uhr nach Hause fährt.
Dort gibt es eine Tonne, vor neugierigen Blicken durch einen Bambuszaun geschützt und eine Schöpfkelle, die Dusche.
Seit ein paar Monaten gibt es ein kleines Häusschen, gemauert und ohne Fenster, an der Vorderseite eine Tür, die man von Innen mit einem rostigen Riegel verschließen kann, in den Fußboden ist eine weiße, nach unten offene Keramikschüssel eingelassen, links und rechts ein breiter Rand, für die Füße, die Toilette. Auch hier gibt es eine Tonne und eine Schöpfkelle und oft sogar Toilettenpapier, solange bis der kleine Kevin alte Schulhefte produziert.
 

Vientiane, Freitag
den 16. November 2001

In manchen E-Mails, die mich in diesen Tagen aus Deutschland erreichen schneit es schon. Ich habe seit nun sechs Jahren keinen Schnee mehr gesehen, schon beginne ich zu vergessen, wie die Zehen schmerzten, nach langen winterlichen Spaziergängen, in den falschen Schuhen. Wirklich seltsam kommt es mir nicht vor, hier in Laos an den Winter zu denken, denn auch hier ist es kalt geworden.
Pan sitzt in einem gefütterten Annorack, mit dickem Kunstpelzkragen, auf der Terrasse in der Sonne und schält die Kartoffeln für das Mittagessen.
Gestern abend saß Seng, der seinen Bruder Kai Kham entlastet, mit Sturzhelm hinter dem Tor, damit sein Kopf warm bleibt. Ob er seine Wollmütze nicht mehr hat, die er vor zwei Jahren trug, weil er kahlrasiert war und sogar damit schlief?
 

Vientiane, Montag
den 19. November 2001

Die Berglandschaft, die die Termiten inzwischen in meinem Schlafzimmer gebaut haben, war wirklich gut getarnt. Eine Flanke in der Mitte der Berge, war noch deutlich feucht, also war deren Bau vor nicht allzulanger Zeit erst beendet worden und das alles ohne das ich auch nur eine Termite über den Steinfußboden habe laufen sehen. Ich stelle mir vor, dass diese Miniaturlandschaft, ein Ausläufer eines riesigen Termitenstaates ist, der sich unter dem ganzen Haus erstreckt und es nur eine Frage der Zeit ist, bis das nicht unterkellerte Haus, sich leicht zur Seite neigt. Gedanken zur Nacht haben manchmal seltsame Bilder.
Morgen werde ich einen Besen nehmen und die Termiten aus meinem Schlafzimmer kehren.
 

Vientiane, Donnerstag
den 22. November 2001

Die Rache des kleinen Volkes. Als ich mit meinem Morgenkaffee auf der Terasse saß und mir mal wieder meine Mangobäume anschaute, da fühlte ich mich verfolgt. Termiten haben sich den Stamm herauf gearbeitet, bis in eine Höhe, die man auch mit dem Strahl aus dem Wasserschlauch nur schwer erreichen kann. So habe ich mich in den letzten fünf Jahren ihrer immer entledigen können, wenn sie zu Beginn der Trockenzeit alte Territorien wieder zurück eroberten. Diesmal bin ich wohl etwas spät dran. Den Stamm, der nur noch steht, weil die Wäscheleine daran gespannt ist, habe ich ihnen kampflos überlassen. Zum einen weil ich wissen möchte, wie lange es dauert bis dieser Stamm auseinanderfällt und die tausend Gänge in der Sonne sichtbar werden und zum anderen weil das der Gang der Dinge ist, gewissermassen der sichtbare Weg den die Zeit nimmt.
Den anderen Bäumen gilt mein voller Schutz. Kokospalmen verschmähen sie, denn beide Palmen sind nicht betroffen und nicht in den Wegplan der kleinen Arbeiter aufgenommen. So sichtbar auch ihr Werk ist, so unsichtbar verstehen sie selbst zu bleiben.
Inzwischen habe ich mich ihrer entledigt und dort wo ich sie nicht erreichte, habe ich ihnen gründlich den Weg abgeschnitten. Ich gebe zu ich genoß den Anblick des herabfliesenden Wassers, das braun von Erde war.
 

Vientiane,  Samstag
den 24. November 2001

Die beiden langen Neonröhren an der Decke flammen auf und beleuchten ein vertrautes Bild, dass ich plötzlich mit fremden Augen sehe. Jemand der aus Deutschland in meine Küche versetzt würde, käme sicher nicht umhin, ein wenig erstaunt zu sein. Mitten in der Küche steht mein Moped und seit dem die Honda Dream nun schon in die Jahre kommt und auch das Tachometer davon spricht, es zeigt nämlich 32.542 km an, riecht es auch ein wenig nach Benzin. Auch ein Fahrrad gibt es mitten in meiner Küche.
Ansonsten gibt es nicht viel Ungewöhnliches, Dinge die man erwartet, Küchengerät aus Ratan und Schöpfkellen aus Kokosnussschalen, einen Gasherd, daneben die Gasflasche von der ein Schlauch zum Herd führt.
Immer wenn eine neue Gasflasche geliefert wird, auf einem noch viel älteren Moped als dem meinen, festgeschnallt mit einem alten Fahrradschlauch, etwa alle drei Monate fährt dieser Gastransporter durch mein Tor und dann riecht es für eine Weile nach Gas, in meiner Küche.
Ein Zeile mit Küchenschränken, Ober und Unterschränken, die eingemauert sind, der graue Beton und die roten Ziegel sind versteckt unter grossen dunkelbraunen Kacheln. Die Unterschränke wurden auf diese Weise 15 cm höher und ich spüle jetzt ohne Rückenschmerzen zu bekommen, ein unbeabsichtigter Nebenenffekt.
Die Unterschränke wurden eingebaut um den Kakerlaken den Zugang zu verbauen, die in den Rückwänden ihre Nistplätze hatten und sich ausserordentlich üppig vermehrten.
 

Vientiane, Dienstag
den 27. November 2001

Selten hat ein Verbot der laotischen Regierung so sichtbare Folgen gehabt, wie das Verbot der Vogeljagd.
Ein Bild vom Beginn meines Lebens in Laos: Junge Männer die mit einem Luftgewehr um die wenigen Bäume schleichen, den Blick stets nach oben gerichtet. Zum Glück hatten sie nie eine Schlinge über die Schulter geworfen, an der schon mehrere Vögel hingen. Die Jagd scheint nicht einfach zu sein und wer einmal einen jungen Mann beobachten konnte, der mit bloßer Hand einen Fisch fing, denkt nicht eine Sekunde an die Ungeschicklichkeit des Jägers.
Auch die Suppe kommt mir ins Gedächtnis, zu der Kai Kham mich eingeladen hatte. Als ich schon den geblümten Grund der Schüssel schimmern sah, hatte ich plötzlich ein kleines Herz auf dem Löffel und ich fragte, von welchem Tier ein so winziges Herz denn sei. Kai Kham hatte vergessen, wie er es nannte, denn seine Augen funkelten verdächtig, dass Ausländerinnen ja keine Singvögel essen.
Die Vögel kamen also in die Suppe.Viel ist an einem solchen Vogel ja nicht dran. Eine Vogelart zum Beispiel, ist so klein, dass ich bei ihrem Anblick immer an die winzigen Porzelanvögel denken muss, die in meiner Kindheit den Weihnachtsbaum schmückten. Trotz ihrer geringen grösse wurden auch sie von den Luftgewehrschützen gejagt.
Seit nun mehr drei Jahren ist es verboten und manchmal geschieht es jetzt, dass ich vom Vogelgezwitscher geweckt werde. Sie kommen wieder, hüpfen durch den Garten und nur dann bin ich froh, dass meine Katze seit meiner Reise durch Malaysia verschwunden ist.
Als das Verbot erst einmal ausgesprochen war und in der laotischen Zeitung stand, konnte es so einem Jäger passieren, dass es von Dorfbewohnern angesprochen wurde, solchen die mit den Vögeln sympathisierten, die das Gezwitscher vermisten, und sicher auch solchen die zuvor Vögel gegessen hatten, denn zum Glück ist an einem Singvogel nicht viel dran.
Pech haben immer noch die Vögel, die sprechen lernen können. Beinahe jeder, der an einem Käfig vorbeikommt, bleibt kurz stehen und spricht mit dem Vogel.
"Sabei di" (Guten Tag)
"Gin käk, bor?" (Ist du Kuchen?)
"Tchau söh njang" (Wie heißt du?)
 

Vientiane, Freitag
den 30. November 2001

In meinem Postfach lag ein Abholzettel für ein Paket. Wer schickt mir ein Paket und was ist wohl drin?
Gegenüber dem Morning Market, dem Dtalat Tsau, befindet sich die Hauptpost.
Zusammen mit der Abholkarte, lege ich meinen Ausweis vor und die ältere Frau in Uniform steht auf und macht sich auf die Suche nach meinem Paket. Kreuz und quer sind im hinteren Teil des grossen Raumes Pakete gestapelt, so wirkt es auf mich. Das es ein System gibt, erkenne ich an der Zielstrebigkeit der Frau, die auf einen bestimmten Pakethaufen zugeht und auch schon sehr bald mein Paket gefunden hat. Es ist das Größte und schwer ist es auch.
Es passt nicht einmal durch das Fenster und sie winkt mich zur Tür, dort nehme ich das Paket erst einmal in Empfang und trage es zum Fenster, von der anderen Seite.
Ich bekomme ein stumpfes Messer gereicht und schneide das Packpapier auf. Ein schneller Blick auf den Absender löste das erste Rätzel nun gilt es das zweite Rätzel zu lösen und ich klappe den Deckel langsam auf. Ein Paket voller Köstlichkeiten. Dominosteine, Lebkuchen, Schokoladenkugeln, Spekulatius und der Duft von Weihnachten. Die Frau wirft einen Blick in das Paket und lächelt mich an, auch sie freut sich. Sie verzichtet darauf, alles zu sehen was im Paket ist und ich darf den Deckel wieder schließen.
In eine grosse Kladde schreibt sie den Namen des Absenders, dabei schaut sie zweimal nach und dann die Adresse an die das Paket geschickt wurde, sie hat eine schöne Schrift, die fremden Buchstaben sind ihr längst vertraut, man merkt ihr die tägliche Übung an. In den Zeilen darüber hat sie beim Namen des Abholers teilweise die Ausweis-Nr. geschrieben, bei mir verzichtet sie darauf und für einen Moment habe ich das erfreuliche Gefühl wir seien Bekannte.
Meine Unterschrift in der letzten Spalte der grossen Kladde sieht viel zu gross aus und wie etwas Fallengelassenes.
Ich drehe die Kladde wieder zu ihr und schiebe sie durch das Fenster.
Das Paket kann ich gerade so unter den Arm klemmen, im Buch stand 1.300 gr, ein Vermögen an Porto.
Welch ein Luxus und die Schokoladenkugeln waren alle noch immer ganz rund und nicht zu einer unansehnlichen Form zusammen geschmolzen.
Dieses Jahr wird es also ein wenig weihnachtlich sein.
Zum Glück bin ich heute mit dem Auto unterwegs und nicht mit dem Moped. Festgebunden auf der Sitzbank des Mopeds, wären die Schokoladenkugeln dann auf den letzten 8 Kilometern dann doch noch geschmolzen.

Vientiane, Sonntag
den 2. Dezember 2001

Nationalfeiertag in Laos. Die Partei feiert sich selbst. Sechzehn Jahre Pathet Lao. Bei weitem nicht soviele laotische Fahenen an privaten Häusern, wie im letzten Jahr. Öffentliche Gebäude sind neben der laotischen Flagge noch mit kleineren Fahnen in verschiedenen Farben geschmückt, bunt, aber auch ein wenig traurig, ohne Wind.
In der Passa Song, der laotischen Zeitung, war in der letzten Woche ein Aufruf, die Abfälle an den Strassenrändern zu entfernen und Vientiane zum Naitonalfeiertag erstrahlen zu lassen. Jeder private Haushalt sollte besonders vor der eigenen Türe kehren und die Abfälle einsammeln.  Auch ausländische Organisationen sind diesem Aufruf gefolgt, so auch der DED (deutscher Entwicklungsdienst), eine laotische Fahne schmückt die Einfahrt.
Einige staatlichen Gebäude bekamen sogar einen neuen weißen Anstrich, oder die Mauern die die Gebäude umschließen wurden wenigstens neu gestrichen.
Am Mekong nahm die Säuberung beträchtliche Formen an. Alle Bambusrestaurants sind verschwunden. Vorbei der lustige Anblick der bunten Tische und Plastikstühle auf den Mekongbänken. Ein laotischer Reiseführer führte hier noch vor wenigen Tagen eine Gruppe amerikanischer Touristen vorbei, die das bunte Treiben auf den Mekongbänken fotografierten und den Sonnenuntergang, der gerade am anderen Ufer in Thailand seinen Lauf nahm, mit den üblichen Worten kommentierten. Der Reiseführer sprach davon das dies ein beliebter Platz bei Einheimischen und Touristen sei. Und wie zur Bestätigung seiner Worte, waren fast alle Tische mit Touristen und Einheimischen besetzt und die jungen Laotinnen nahmen eifrig die vielen Bestellungen auf.
Nun sind  Mekongbänke mit der Planirraupe plan gewalzt und damit nicht über Nacht die kleinen Restaurants wieder aufgebaut werden, ist das ganze Gelände mit bedrohlich wirkendem Stacheldraht eingezäunt, der lieblos an grauen Betonpfosten befestigt ist.
Ein wenig Hoffnung bleibt mir noch und ich fahre am Mekong entlang, zum Krankenhaus. Gegenüber des Seiteneingangs hat es schon immer Bambusrestaurants gegeben, hier haben die Angehörigen der Patienten im Krankenhaus, Suppen, gegrilltes Huhn, Obst und Kokusnüsse gekauft, da die Verpflegung im Krankenhaus zu teuer und dazu schlecht ist. Auch hier war stets viel los, auch kleine Karren standen hier, die vom Toilettenpapier über Kaugummi bis hin zu Haarkämmen alles verkauften.
Die grossen alten Bäume versperren zunächst meinen Blick auf den grossen Parkplatz, auf dem selten ein Auto parkte.
Die Abwesenheit der Pritschenkarren lässt mich aber schon ahnen, dass auch hier die Restaurants verschwunden sind und tatsächlich, der ganze Parkplatz ist wie frisch gefegt.
 

Vientiane, Montag
den 3. Dezember 2001

Heute ist offiziell ein Freier Tag. Auch die internationale Schule hat frei. Immer wenn ein laotischer Feiertag auf einen Sonntag fällt, ist der nächste Montag frei. Es ist nicht viel los in den Strassen von Vientiane. Die Touristen fallen mehr auf als sonst üblich. Fast ein wenig verloren laufen sie herum, wissen nichts anzufangen, mit den leeren Strassen und Plätzen. Die kleinen privaten Geschäfte können es sich nicht leisten zu schliessen und wozu auch, wenn man sowieso zu Hause ist.
Es ist wieder wärmer geworden, heiß um die Mittagszeit.
 

Vientiane, Freitag
den 7. Dezember 2001

Im Dach galoppiert eine Katze, ich höre das kurze aufsetzen der Pfoten, die Krallen kratzen auf den dünnen Platten die die Decke aller Zimmer bilden. Sie sind an ein Lattenwerk genagelt. Der Elektriker, wollte er die Kabel neu durchs Dach ziehen, würde sich einzig auf den Latten bewegen können, da die Platten sein Gewicht nicht tragen und er durchbrechen  und in einem der Zimmer unsanft auf den Steinfussboden landen würde. Die Katze treibt es da oben so bunt, das ich fast fürchte sie gleich auf dem Schoß zu haben und dann welch ein Schock. Kleo ist seit Monaten nicht wieder gekommen und wenn sie da oben fangen spielen würde mit einem Gecko, dann hätte ich sie schon längst im Garten gesehen.
So glaube ich, dass es eine Katze aus ihrem letzten Wurf ist. Vier Katzen hat Kleo da oben geboren und aufgezogen. Erst als sie schon entwöhnt waren, kamen sie aus dem Dach, ich weiss nicht wo. Diese Stelle ist deshalb auch immer noch offen.
Vier halbwilde Katzenkinder, die nie von einer menschlichen Hand berührt wurden. Eine ist also wieder in die Kinderstube zurückgekehrt.
 

Vientiane, Montag
den 10. Dezember 2001

Auf der langen Bank sitzt ein kleiner Mann, dem ich die Mühe ansehe, die es ihm bereitet diesen Brief zu schreiben. Jedem Buchstaben den er schreibt gilt seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Seine Haut ist faltig und sehr dunkel, er wirkt älter als er ist. Seine fast schwarzen Füsse stehen nebeineinander auf dem Betonfussboden der Hauptpost,  unter den Fussnägeln ist Erde. Schnell wandert mein Blick zu seiner Hand, die müde neben dem weissen Bogen Papier liegt. Die Fingernägel sind sauber gebürstet. Eine Hand die fest zupacken kann und der ich ohne weiteres zutraue, den Kopf eines erwachsenen Büffels, am Seil zur Seite zu reißen und ihn zu zwingen, eine Kehrtwende zu machen.
Dieser Mann schreibt vielleicht an Verwandte in Amerika und bittet sie schweren Herzens, der Hand jeden Buchstaben abringent, um Geld.
Um diesen Brief zu schreiben, hat er einen Bus bestiegen, vielleicht gestern nacht und er wird wieder einen Bus besteigen und schlafend die Hauptstadt wieder verlassen und in sein Dorf fahren, vielleicht irgendwo in den Bergen, oder umgesiedelt nahe der wenigen Strassen, die die Provinzen verbinden.
Noch nicht heimisch geworden und sehr arm ohne die Aussicht auf eine diesjährige Reisernte.
 

Vientiane, Donnerstag
den 20. Dezember 2001

Das Laos Tagebuch war heute hilfreich. Die mitgebrachten Seiten aus meinem Tagebuch, halfen heute die deutsche Botschaft in Vientiane zu finden. Satthantut Jellaman stand dort im August letzten Jahres zu lesen und das bedeutet Deutsche Botschaft.
Wenn Englisch nicht weiterhilft ist es gut die wichtigsten Dinge in Laotisch zu wissen.
Satthantut Jellaman und der Taxifahrer wusste sofort wo es hin gehen sollte.
Kop tchei, Danke.
Galuna, Bitte.
 

Vientiane, Montag
den 31. Dezember 2001

Der letzte Tag im Jahre 2001 für die Ausländer die in Laos leben. Phi mei falang, Phi ist das Jahr, mei bedeutet neu und falang, Ausländer. Falang ist ein Wort das die Kolonialzeit überdauert hat. Als Laos franzäsische Kolnie war, waren die meisten Ausländer Franzosen, Falang eben. Das Wort ist geblieben obwohl heute längst nicht mehr die Franzosen die größte Volksgruppe ist die nach Laos kommt. Gerade jetzt in der kühleren Jahreszeit kommen viele Reisende. Die Strassen und Restaurants in Vientiane sind bunt bevölkert und ab und an höre ich auch deutsche Worte. Heute abend wird es in vielen Restaurants Büfett geben zum Neujahr der Ausländer. Aber auch in den laotischen Familien wird der heutige Tag gefeiert werden. Man lässt ungern ein Fest aus. Sok di phi mei, ein glückliches neues Jahr.
In einigen laotischen Garküchen glittern schon seit Tagen die bunten Buchstaben auf denen HAPPY NEW YEAR zu lesen ist. Manch eine Buchstabenkette hing noch vom letzten Jahr und rechtzeitig abgestaubt, sieht sie aus wie neu. In dem einen Restaurant in dem ich häufig zu abend esse wüsste ich es nicht, ich hätte es nicht bemerkt. Doch diese Buchstabenkette hat mich öfter zum Schmunzeln gebracht, nicht natürlich jetzt wo ihre Zeit wieder im kommen ist.
Sok di phi mei, ich freue mich über jedes glückliche neue Jahr das mir in diesen Tagen überall gewünscht wird. Ob ich zum Markt gehe, oder im kleinen Supermarkt etwas Käse kaufe, oder mit dem Moped einfach durch die Stadt fahre. Heute abend wird es überschwenglicher sein, denn heute ist der Tag auf den nicht nur die Ausländer in Laos gewartet haben. Bier Lao wird fließen, nicht nur aus der Flasche, einige Restaurants verkaufen auch Fassbier. In meinem Dorf kann ich Bier Laos vom Fass, in der Plastiktüte mit nach Hause nehmen, die Tüte drei Liter.
Um 0Uhr und ein paar Sekunden wird der Sekt geöffnet, den ich in Baht bezahtl habe, an der Freundschaftsbrücke im Duty free Shop, wo alles in Dollar ausgezeichnet ist. Wenn ich mich nicht irre ist es ein spanischer Sekt und die Kisten dürften alle ausverkauft sein, Heute.
Das laotische neue Jahr ist erst im April und dann wird es nicht 2002 sondern 2545 werden.
Sok di phi mei.

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